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 DVD-Besprechung

Der Ring des Nibelungen

25.3.2015

 

 

Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Kamera

Ton

Chat-Faktor


Cover

 

 

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Geschmackssache

Noch immer klingt das Wagnerjahr 2013 nach. Das Nationaltheater Mannheim stellte sich ab dem Jahr 2011 der Herausforderung, einen Ring des Nibelungen zu schmieden und holte sich dafür den bekannten Regisseur Achim Freyer ans Haus, der in Personalunion für Regie, Bühne, Kostüm und Licht zuständig ist. Das klingt spektakulär, ist es aber gar nicht unbedingt, da Freyer nur wenige Jahre zuvor den Ring in Los Angeles inszeniert hat – viele Elemente daraus finden sich nun auch in Mannheim wieder. Von einer reinen Wiederverwertung kann man indes nicht sprechen.

Das Label Arthaus hat nun diese Ring-Deutung auf den DVD -Markt gebracht und präsentiert das Projekt dermaßen lustlos, als traute es ihm von vorne herein keinen Erfolg zu. Ein einziges, schmales Booklet liegt den vier Opern bei – ein paar Fotos, eine knappe Inhaltsangabe samt Besetzung, eine paar Statements des Regisseurs, das war’s. Der einzige Hinweis auf das Aufnahmedatum findet sich auf der ersten Seite: „Live-Aufzeichnung aus dem Nationaltheater Mannheim 2013“ – aha. Wenn man das Kleingedruckte auf der letzten Seite durchliest, stößt man auf den Hinweis, dass es eine Dokumentation von Rudij Bergman gibt. Aber wo? Hier anscheinend nicht, denn die sieben DVDs sucht man anschließend vergebens ab. Dass es auch kein anderes Bonusmaterial gibt, sei nur der Vollständigkeit halber erwähnt.

Ebenso peinlich ist es, dass die Namen der Aufnahmeleitung nur im Abspann auf den DVDs genannt werden. Dabei ist die technische Seite unter der Gesamtleitung von Georg Wübbolt und Markus Maschke doch gut gelungen. Der Ton fängt Stimmen und Theateratmosphäre sauber ein. Auch von den Kameras bekommt man überwiegend gute Bilder, zudem auch ein paar schöne Überblendungen anstatt nur holpernde Schnitte. Dabei dürfte es der schwierigste Teil gewesen sein, Freyers Inszenierung auf dem Medium zu bannen. So gesehen verwundert es nicht, warum man im Finale der Götterdämmerung nur noch die Bühne in der Totale sieht. Der ganze Raum ist ein Gesamtkunstwerk, ein zusammenhängendes Gefüge, das sich im Blick aus dem Zuschauerraum am besten offenbart. Die vielen kleinen Details – von den Statisten bis zu den Requisiten – sind sowohl für Kameras als auch für die Augen eine Herausforderung.

Der große Vorteil von Freyers Konzept ist, dass es sich wohltuend aus dem Einheitsbrei von Aktualisierungen der Tetralogie abhebt. Es ist eine ganz eigene, abstrakte Sicht auf den Stoff. Allerdings sind die symbolhaften Gänge und Gesten auf die Dauer sehr ermüdend. Einige Momente schrammen unfreiwillig an der Persiflage vorbei. Zu selten sind die Momente, wo Freyer so konzentriert erzählt wie im ersten Siegfried-Akt. Die Kostüme strahlen die Fantasie des Regisseurs aus und erreichen ebenfalls unterschiedliche Wirkung. Das mehrarmige Kostüm des Loge beispielsweise charakterisiert den Feuergott so treffend als spinnenartiges Wesen. Anderseits nehmen viele Masken den Sängern eine ihrer wichtigen Ausdrucksmöglichkeiten neben der Stimme: Die Mimik.

Besonders trifft das ausgerechnet auf Wotan-Sänger Thomas Jesatko zu, der sicherlich von dieser profitiert hätte. Er singt den Göttervater insgesamt souverän, aber leider zu ausdrucksarm. Überhaupt ist es sicher ein Problem, dass dieser Produktion vokale Glanzlichter fehlen, wenngleich es auch keine Ausfälle gibt. Vielleicht ist es auch dem anspruchsvollen Konzept geschuldet, dass die engagierten, deutlich artikulierenden Sänger zu kontrolliert und damit etwas blutleer wirken. Endrik Wottrich singt als Siegmund tapfer und laut dagegen an. Christoph Stephinger demonstriert die Bosheit des Hagen. Jürgen Müller ist als Loge fast eine Spur besser als in der Rolle des Siegfried. Karsten Mewes gestaltet den Alberich glaubhaft als Ausgangspunkt der Tragödie. Judith Németh als überdramatische Brünnhilde ist leider kein Pluspunkt in der Besetzung, Heike Wessels als Sieglinde dagegen schon.

Die beste Leistung der DVD kommt vom Orchester des Nationaltheaters Mannheim unter der Leitung von Dan Ettinger, der sich als sängerfreundlicher Dirigent erweist. Auch hier hört man stellenweise ungewöhnliches, wie etwa das schnell genommene Vorspiel zum Rheingold. Auch die dramatische Attacke kommt in seiner Interpretation nicht zu kurz. Andere Momente nimmt Ettinger dagegen sehr langsam, was dann im Gesamteindruck mit der Szene den Ablauf etwas lähmt.
Vom Publikum gibt es herzlichen Applaus, der allerdings von der Tontechnik etwas stiefmütterlich behandelt wird. Für alle, die den Mannheimer Ring live erlebt haben, dürfte die DVD eine schöne Erinnerung sein. Für alle anderen wird sich diese Interpretation als das erweisen, was eigentlich für jede Aufnahme jeder Oper gilt: Eine Frage des persönlichen Geschmacks.

Christoph Broermann

 

Fotos: Hans Jörg Michel, Jürgen Müller, Judith Németh