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 DVD-Besprechung

Rienzi

14.12.2013

 

 

Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Kamera

Ton

Chat-Faktor


Cover

 

 

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Ein kraftvoller, aber kein edler Held

Revolution und Aufstände beherrschen schon während des Vorspiels das Geschehen. Auf historischen, aber auch aktuellen Filmausschnitten werden Demonstrationen und Aufmärsche aus allen Kontinenten der Welt gezeigt, die auch teilweise in wilde Gewalttätigkeiten ausarten. Nicht unberechtigt, denn Richard Wagner war ein eindeutiger Anhänger des Revolutionsgedankens aus 1848/49. Man sieht filmisch auch den Fall der Berliner Mauer und eindeutige Bezüge zum deutschen Nationalsozialismus und italienischen Faschismus. Damit will Regisseur Jorge Lavelli offenbar aufzeigen, dass Rienzi die Lieblingsoper von Adolf Hitler war, deren Vorspiel er auch immer wieder zu offiziellen Anlässen spielen ließ. Im Oktober 2012 ist das Wagner-Frühwerk am Théâtre du Capitol in Toulouse inszeniert worden. Der Live-Mitschnitt ist jetzt bei Opus Arte sowohl als DVD herausgekommen. Lavelli illustriert seine Bezüge auch durch die Uniformen des, einmal sogar mit einem echten Pferd hereinreitenden Titelhelden mit feuerroten Haaren und der hereinmarschierenden Soldaten ebenso wie mit dem „deutschen Gruß“, während das Volk von Kostümbildner Francesco Zito in pastellfarbige, strickartige Gewänder mit Wollmützen oder Kopftücher gesteckt wurde. Die Regie wirkt aber insgesamt zeitlos aktuell.

Die weiß geschminkten Gesichter aller Beteiligten und der meist leere oder mit mächtigen Eisenwänden begrenzte, bunkerartige Raum von Riccardo Sánchez Cuerda mit rostigen, riesigen Toren erzeugen zudem eine beinahe gespenstische Atmosphäre. Alles wirkt kalt. Einzig das rote Kleid von Irene markiert einen Farbtupfer. Rienzi wird vom Regisseur zwar als kraftvoller, aber keineswegs edler Held, sondern als überzeugter Anarchist gezeigt. Die Personenführung ist sehr überzeugend wie auch plastisch und arbeitet insbesondere die zwischenmenschlichen Beziehungen des Geschwisterpaares Rienzi und Irene und des unter großen Gewissensqualen leidenden Adriano gekonnt heraus. Die Auftritte des Chores enden oft in bildhaften Arrangements, Aktivitäten desselben sind meist durchchoreografiert. Beeindruckend ist ein Bild im vierten Akt, wenn durch raffiniert eingesetzte Wasserfontänen das Bild einer riesigen Kathedrale entsteht.

Voller Energie erlebt man Torsten Kerl als vitalen Titelheld mit wohl klingendem, geschmeidigem Heldentenor, der über mühelose Höhen verfügt. Das berühmte Gebet des Rienzi hat man allerdings schon inniger und raffinierter gehört. Marika Schönbergs Sopran als Irene ist sehr flexibel und ebenfalls höhensicher. Mit tiefen Gefühlen und ihre Qualen intensiv darstellend kann Daniela Sindram in der Hosenrolle des Adriano faszinieren. Richard Wiegold ist ein in der Tiefe sehr profunder Stefano Colonna, dessen Stimme jedoch in den höheren Lagen etwas dünn klingt. Stefan Heidemanns Paolo Orsini ist sehr markig zu vernehmen. Stimmgewaltig ist der Kardinal Orvieto des Robert Bork. Der Choeur du Capitole und der Coro dell’Accademia Teatro alla Scala di Milano wurden von Alfonso Caiano sehr sorgfältig einstudiert und singt machtvoll wie auch sehr homogen.

Energiegeladen, elastisch, sängerfreundlich und souverän erweist sich Pinchas Steinberg am Pult des Orchestre National du Capitole, der großen Wert auf Transparenz legt und dem die tiefschürfenden Lyrismen dieser noch der Grand Opéra geschuldeten Partitur wichtiger sind als vordergründige Dramatik.

Die Videographie von Denis Caiozzi ist immer konzentriert auf den Puls des Geschehens. Der Ton ist von hoher Brillanz und lässt bei der Dynamik immer den Stimmen vor dem Orchester den Vortritt.

Das Booklet bringt nur wenige Hintergründe über das Werk und vergisst wieder einmal komplett eine Trackliste der einzelnen Opernnummern.

Dem Publikum hat die Produktion insgesamt sehr gefallen, denn es applaudiert uneingeschränkt stark.

Helmut Christian Mayer