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 DVD-Besprechung

Gershwins' Porgy and Bess
2.12.2014

 

 

Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Kamera

Ton

Chat-Faktor


Cover

 

 

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Nah an der Oper

Die Musical-Nähe von Porgy and Bess hat in der europäischen Wahrnehmung vergessen lassen, dass Goerge und Ira Gershwin, DuBose und Dorothy Heyward Porgy and Bess tatsächlich als amerikanische Oper geplant hatten, als sie 1935 in Boston uraufgeführt wurde. Trotz begeisterter Kritiken blieben die Produzenten zurückhaltend, mit fast vier Stunden war das Werk einfach zu lang. Schon für die Broadway-Premiere wurde eine knappe Dreiviertelstunde gestrichen, bis 1942 setzten sich weitere Kürzungen bis zu der heute meist verwendeten Fassung durch. Sie liegt auch der DVD zugrunde, die die San Francisco Opera 2009 aufzeichnete und die EuroArts dieses Jahr auf einer Doppel-DVD veröffentlicht. Die erste DVD enthält die komplette Oper mit mehr als zweieinhalb Stunden Dauer, die zweite Interviews mit Künstlern, dem Dirigenten, der Regisseurin, dazu zahlreiche weitere Informationen. Die Aufzeichnung ist mit Untertiteln ausgestattet, die in mehreren Sprachen verfügbar sind, eine angenehme Zusatzausstattung.

Dass die San Francisco Opera mit ausgezeichneten Sängerinnen, Sängern und hervorragenden Darstellern aufwarten kann, darf man erwarten. Größe, Musiktradition und eine ethnische Nähe zum Stoff sowie der Musik von Gershwin, die ihre Nähe zur schwarzen Kultur nicht leugnet, garantieren ein Theatererlebnis der besonderen Art.

Porgy and Bess erzählt die Geschichte des schwarzen, gehbehinderten Porgy und seiner Liebe zur attraktiven Bess, die bei ihren Versuchen, ihrer tristen Umwelt zu entfliehen, von einem Unglück in das nächste stolpert und allmählich jegliche Orientierung verliert. Es ist zwar traurig, aber vorhersehbar, dass sie schließlich, von Drogen und dem Dealer Sportin‘ Life verführt, in den Slums von New York landet. Gershwin und Kollegen haben alle Zutaten für eine romantisch-tragische Alltagsgeschichte zur Hand, die sich bestens für die Bühne und eine gefühlvolle Musik eignen.

Bühnenbild und Kostüme sind dem amerikanischen Schwarzen-Alltag der Südstaaten der frühen 1950-er Jahre nachempfunden, die für schwarze Amerikaner nicht gerade die beste Adresse waren. Die großräumige Bühne zeigt über mehrere Stockwerke verteilt primitive Wohnzugänge mit Wäsche und Gerätschaften auf den Umgängen. Die Darsteller tragen einfache Alltagskleidung, die häufig ihre besten Zeiten hinter sich hat.

Wenn Angel Blue als Clara mit weichem Sopran ihr Summertime erklingen lässt, schmilzt der Zuhörer dahin. Mit bester Stimmenausstattung präsentiert Eric Owens voluminöser Bass den Porgy, Laquita Mitchell als rothaarig freche oder sentimentale Bess überzeugt mit einfühlsamem Sopran. Der dankbaren Rolle des Sportin‘ Life gibt Chauncey Packer darstellerisch wie stimmlich viel Authentizität. Lester Lynchs wuchtiger Bariton passt zu der umwerfenden Figur des Crown. Chauncey Packer verfügt über dieses jazzig-raue Timbre, das bestens zum windigen Sportin‘ Life passt. Sängerinnen und Sänger überraschen mit klassisch ausgebildeten Stimmen, die der ganzen Aufführung eine eher opernhafte Prägung verleihen. Die für schwarze Sänger häufig überraschende Rauheit und Lebendigkeit, wie man sie etwa von der Cape Town Opera kennt, erklingt nur in wenigen Passagen.

Das San Francisco Orchestra unter Leitung von John DeMain unterstützt den Opern-Charakter der Aufzeichnung mit breit ausgespielten Orchesterpartien. Die rhythmischen Elemente der Musik Gershwins und damit ihre jazzigen Merkmale kommen eher zaghaft herüber, schade. Eine ruhige Kameraführung, die meist zwischen Totaler und Halbtotaler wechselt, lässt dem Betrachter Zeit, sich zu orientieren, die Szenen können ruhig ausgespielt werden.

Bekannte Songs dieser amerikanischen Oper wie Summertime, I Got Plenty o’ Nuttin’ oder It ain´t necessarily so haben die Opernbühne längst verlassen und sind in zahlreichen Bearbeitungen Teil moderner Unterhaltungsmusik geworden, sie haben den Sound vieler Musicals geprägt. Wer diesen Sound gern hört und an der leichten Form der amerikanischen Oper Gefallen findet, ist mit dieser San-Francisco-Aufzeichnung hervorragend bedient. Wer die besonderen Akzente afro-amerikanischer Klänge und Rhythmen liebt, wird hier nicht allzu viel finden.

Horst Dichanz

Fotos: Cory Weaver