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DVD-Besprechung

Otello

15.10.2012


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Kamera
Ton

Chat-Faktor


Cover





 

 

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Denn stark wie die Liebe ist der Tod

Quer über die Bühne führt ein sich stark verbreiternder, beleuchteter Riss. Er soll wohl die Zerrissenheit des Titelhelden symbolisieren. Aber das ist auch schon die einzige griffige Idee, die Stephen Langridge 2008 bei seiner Inszenierung von Giuseppe Verdis Spätwerk Otelloim Großen Festspielhaus eingefallen ist. Die Produktion ist jetzt im Jubiläumsjahr als DVD in der Reihe Tutto Verdi von C Major herausgebracht worden.

Ansonsten erlebt man im Einheitsraum von George Souglides vor einer mehrstöckigen, steinernen, modernen, sehr nüchternen Festung, bei der ein kleines, schräges Glaspodest vorne und eine Art Guckkasten im Hintergrund, worauf auch Wellen projiziert werden, noch als zusätzliche Spielflächen benutzt werden, in historisierten Kostümen von Emmy Ryotts sehr konventionelles Stehtheater mit wenig Profil. Die Chorszenen in der Einstudierung von Thomas Lang, wobei der Wiener Staatsopernchor wieder einmal exzellent und gewaltig singt, besonders gleich zu Beginn in der Sturmszene wirken ungelenk, die Führung der Protagonisten fast ein bisschen hilflos, außer dass Jago manchmal als Spielmacher den Vorhang auf- oder zuziehen darf. So kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Sänger ziemlich auf sich allein gestellt sind und je nach Persönlichkeit und Erfahrung besser oder schlechter agieren. Die Kameraführung ist immer exzellent am Brennpunkt des Geschehens. Für die Videoregie zeichnet Peter Schönhofer verantwortlich.

Exzellent hört man das Ensemble: Aleksandr Antonenko verfügt über ein schönes, höhensicheres Stimmmaterial. Sein Tenor hat auch eine enorme stimmliche Durchschlagskraft. Enorme Präsenz zeichnet ihn aus. Marina Poplavskaya, eine damals junge und noch nicht ganz ausgereifte 29-jährige Nachwuchssängerin, singt mit blühendem, rundem Sopran, kann vor allem mit dem Lied Salce, salce und dem finalen Gebet dem Ave Maria wirklich innig berühren. Carlos Álvarez ist als Jago kein böser Finsterling, sondern eher ein manchmal zu nobler Intrigant mit wenig nihilistischer Dämonie, der aber nicht nur sein berühmtes Credo schillernd, vieldeutig und fulminant singt. Von den kleineren Partien stechen als Cassio Stephen Costello mit ausnehmend schönem, hellen Tenor sowie Simone del Savio als Montano und Mikhail Petrenko als Lodovico hervor. Eher blass wirken hingegen Barbara Di Castri als Emilia und Antonello Ceron als Roderigo.

Im Graben jedenfalls brodelt es: Da peitscht Riccardo Muti die blendend aufspielenden Wiener Philharmoniker nicht nur in der Sturmszene zu gewaltigen, spannungsgeladenen, leidenschaftlichen Eruptionen auf. Andererseits verzichtet er aber auch nicht auf feinste Details, Klangpracht und -balance. Da werden Meeresrauschen und viele berührende Lyrismen gezaubert.

All das gibt die DVD in exzellenter Tonqualität wieder. Mit nur recht dürren, wenigen Informationen über das Werk wartet hingegen das Beiheft auf.

Helmut Christian Mayer

Fotos: Silvia Lelli/ORF/Ali Schafler