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 DVD-Besprechung

Otello

14.7.2014

 

 

Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Kamera

Ton

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Zorn und Neid am Palazzo Ducale

Eine Botschaft des Dogen beschleunigt die tragischen Vorgänge in Verdis Otello: Der Doge ruft den Feldherrn Otello zurück nach Venedig. Doch dazu soll es nicht mehr kommen. Als Otello die Intrige Jagos erkennt, ist es zu spät, und er nimmt sich das Leben. 2013 kehrt Otello doch nach Venedig zurück, aber nicht in das berühmte Theater La Fenice. Stattdessen wählen die Veranstalter den berühmten Innenhof des Dogenpalastes als spektakuläre Kulisse. Dank Tiziano Mancinis Aufnahmeregie für die bei C Major veröffentlichte DVD kann der Zuschauer ein bisschen von der Atmosphäre genießen, wenn sich die Dämmerung am 10. Juli 2013 nach und nach über die umliegenden Bauwerke legt und Raum lässt für gigantische Projektionen auf die Fassade des Palastes. Sergio Metalli „bemalt“ sie mit Emotionen, zum Beispiel rotem Hass und grünen Neid. Er lässt die Meereswogen darauf rauschen, der geflügelte Löwe symbolisiert die politische Macht, ein wurmartiger Leib erinnert an die Hydra der Eifersucht, die Jago heraufbeschwört.

Eine derartige Kulisse wie der Palazzo Ducale verführt schnell dazu, eine Oper allein optisch wirken zu lassen. Regisseur Francesco Micheli begeht diesen Fehler nicht und inszeniert Otello einfallsreicher und detaillierter, als es der erste brave Chorauftritt vermuten lässt. Er mischt sogar dem üblichen Otello-Personal einige stumme Darsteller bei, die wie böse Gedanken Otello und Jago in zentralen Momenten begleiten. Sie sind die personifizierten Selbstzweifel Otellos und der Hass seines Fähnrichs. Sie sind in schwarze Roben gehüllt, die ein bisschen an einen eingefärbten Friesennerz erinnern. Ansonsten fallen die Kostüme von Silvia Aymonino ganz klassisch, aber auch nicht besonders aufregend aus. Vielleicht hätte die allgemeine Personenführung noch eine Prise Intensität vertragen können. Doch ein paar Einfälle rücken diese Regiearbeit weg von einer durchschnittlichen Arbeit. So ist es der Geist Desdemonas, der Otello das Messer zum Selbstmord in die Hand drückt, um dann später gemeinsam mit ihm in der Finsternis zu verschwinden. Zuvor entsteht auch im Ensemble des Finales des dritten Aktes ein ungewöhnliches Bild, wenn sich Desdemona zurückzieht, nachdem sie von Otello öffentlich gedemütigt wurde, und sich ihres prächtigen Kleides und ihres Schmucks entledigt.

Ermöglicht wird diese räumliche Trennung durch die variabel einsetzbaren Stege, mit denen Edoardo Sanchi die recht Hälfte direkt an der berühmten Treppe des Palazzo in eine Bühne verwandelt. Die linke Seite ist dem Orchester del Teatro La Fenice vorbehalten, das von Myung-Whun Chung ohne Partitur dirigiert wird. Wenngleich der schwarze Ton der Musik sehr genau getroffen wird, hätte man den Fluss mit noch mehr Dramatik würzen können. Vielleicht achtet Chung auch genau auf die Balance zwischen Sängern und Musikern, die unter diesen Freiluftumständen beachtlich gelingt. Der von Claudio Marino Moretti einstudierte Chor del Teatro La Fenice sowie der Piccoli Cantori Veneziani, vorbereitet von Diana D’Alessio, hinterlassen ebenfalls einen sicheren Eindruck.

Der schwierigen Akustik sind wahrscheinlich auch ein paar Trübungen in der Intonation geschuldet. Sowohl Gregory Kunde in der Titelpartie als auch Lucio Gallos intriganter Jago sind davon betroffen. Beide singen ansonsten ausgesprochen souverän und frei vom übertriebenen Chargieren. Kunde bewältigt den eifersüchtigen Feldherren, der sicher eine Grenzpartie für seine Stimme ist, sehr kontrolliert und weiß auch emotionales Spiel beizusteuern. Gallo hat stimmlich und darstellerisch die Ruhe weg und kann mit boshafter Sicherheit auf den Erfolg seiner Intrige vertrauen. Carmela Remigio kaschiert mit sauberen Tönen und berührender Schlichtheit, dass ihrem Sopran ein wenig der sanfte Klang fehlt. Die Nebenrollen erreichen dieses Niveau nicht ganz. Sowohl Francesco Marsiglias Cassio also auch der Rodrigo von Antonello Ceron singen ordentlich, aber auch eine Spur zu oberflächlich. Auch der spröde Bass von Mattia Denti als Lodovico lässt Wünsche offen.

Vielleicht liegt es an den auf die Bühne konzentrierten Mikrophonen, vielleicht auch daran, dass live keine Atmosphäre zustande kommt, auf jeden Fall klingt der Applaus des Publikums ein bisschen zurückhaltend. Eine deutliche Steigerung für Remigio, Gallo und Kunde ist dennoch deutlich hörbar. Schade ist, dass für den DVD-Besitzer keinerlei Extras geboten werden, um dieses schöne Projekt in seiner Durchführung zu beleuchten. Das wäre Verdi, den Musikern und auch der Stadt Venedig angemessen gewesen.

Christoph Broermann

Fotos: C Major Entertainment