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 DVD-Besprechung

Neujahrskonzert

11.4.2014

 

 

Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Kamera

Ton

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Cover

 

 

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Schwungvoller Jahresbeginn

Mit Wien kann Venedig zwar, was die Anzahl betrifft, bei weitem nicht mithalten aber das Neujahrskonzert hat auch in der italienischen Lagunenstadt bereits eine große Tradition. Denn die Concerti di Capodanno finden auch schon einige Jahre im herrlichen Gran Teatro La Fenice statt und eröffnen dabei die aktuelle Opernspielzeit, die in Venedig entgegen allgemeiner Gepflogenheit mit dem Kalenderjahr beginnt.

2013, bereits zum zweiten Mal, durfte dieses Neujahrskonzert Sir John Eliot Gardiner dirigieren, ein Grandseigneur der historisch-kritischen Aufführungspraxis, speziell bei der Alten Musik und einer der umtriebigsten und innovativsten Köpfe unter den Pultstars. Nun, Alte Musik ist auf der DVD vom Label Arthaus, die jetzt kürzlich erschienen ist, nicht zu erleben, dafür nach der einleitenden Sinfonia aus dem farbenfrohen Pharaonendrama Aida von Giuseppe Verdi etwas ganz Neues: Pjotr Iljitsch Tschaikowskys 2. Symphonie in c-Moll, op. 17, die immer zu unrecht im Schatten der letzten drei Symphonien steht. Die vier Sätze der Kleinrussischen mit den stark eingefärbten folkloristischen Themen, Volksliedern russisch-ukrainischen Ursprungs, werden mit nicht immer ganz intonationsreinen Celli und selten knallig, aber stets mit ungezwungener Heiterkeit und freigeistiger Atmosphäre immer sehr exakt wiedergegeben. Trotzdem wirkt dieses Stück ein bisschen wie ein Fremdkörper im sonst völlig italienischen Programm, das bis auf den sehr feurig gespielten Galopp aus Gioachino Rossinis selten gespielter, französischer Oper Le siège de Corinthe ausschließlich dem letztjährigen Jahresregenten Giuseppe Verdi gewidmet ist, lauter Leckerbissen, bei denen man sich im Orchester des Teatro La Fenice sichtlich wohler fühlt als bei der russischen Musik. Mit vielen dynamischen und farbigen Schattierungen, feinfühligen Tönen und packendem Verve wissen die hochmotiviert spielenden Musiker unter der eleganten, aber auch stets animierenden Gestik von Gardiner zu faszinieren. Sei es bei den Vorspielen aus Attila oder La traviata, sei es bei den Chor- und Solistenbegleitungen.

Diese waren mit Desirée Rancatore und Saimir Pirgu hochkarätig besetzt: Die italienische Sopranistin aus Palermo etwa mit der glühenden Ode Sempre libera aus La traviata und der Arie Mercé dilette amiche aus I vespri siciliani mit flexibelsten Tönen und saubersten Koloraturen und allen mühelosen Höhen. Der albanische Tenor etwa mit Questa o quella aus Rigoletto oder La mia letitzia infondere, das vielleicht bewegendste Liebesgeständnis aus Verdis Feder aus dem frühem Musikdrama I lombardi alla prima crociata mit Eleganz, aber auch Feuer und großer Beweglichkeit in der Stimmführung.

Sehr homogen, wohlig abgestuft und klangschön präsentiert sich der Chor des Hauses unter anderem mit dem unsterblichen Gefangenenchor Va, pensiero aus Nabucco, der geheimen Nationalhymne Italiens, die, ebenso wie der Donauwalzer in Wien, hier im Fenice in Venedig zum fixen Bestandteil des Neujahrskonzertes gehört. Gerne wird auch immer wieder die Zugabe, das Trinklied aller Trinklieder, das Brindisi Libiamo ne’ lieti calici gespielt, bei dem das Publikum mitklatschen darf und der gar nicht so kühle britische Maestro mit der Sopranistin am Dirigentenpult zum Gaudium des Publikum ein Tänzchen wagt, während ein bunter Konfettiregen auf die Bühne niedergeht.

Unterfüttert wird die DVD bei den reinen orchestralen Stücken vom mit viel Grazie tanzenden Ballett des Teatro della Scala Milano vor der wunderbaren Kulisse Venedigs.

Die Kameras, die mit Nahaufnahmen viele Details einfangen, auch immer durch die Zuschauerreihen durchfahren und fast immer am Brennpunkt sind, zeigen in der Regie von Carlo Tagliabue auch Ausschnitte aus dem Teatro La Fenice in seiner Pracht und Herrlichkeit wie auch herrliche Außenaufnahmen von Venedig. Auch der Ton ist außergewöhnlich gut. Das Booklet weiß neben ausführlichen Werksbeschreibungen auch die Geschichte des Theaters zu beleuchten. Der Trailer macht Geschmack auf die vergangenen Neujahrskonzerte.

Das Publikum reagiert begeistert: Viele bravi und viel Applaus.

Helmut Christian Mayer

Fotos: Michele Crosera