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 DVD-Besprechung

Lucrezia Borgia

10.11.2013

 

 

Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Kamera

Ton

Chat-Faktor


Cover

 

 

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Das Sams singt Belcanto

Gaetano Donizetti, der Workaholic unter den Komponisten, ist vor allem für seine Opern Don Pasquale und L’elisir d’amore berühmt geworden. In letzter Zeit hat sich auch Anna Bolena wieder häufiger auf dem Spielplan der Häuser blicken lassen, die es sich erlauben können, die schwierige Belcanto-Oper zu besetzen. EuroArts bereichert nun die Diskographie um eine weitere Oper Donizettis, die Zeugnis von der großen Kunst des Meisters aus Bergamo ablegt. Lucrezia Borgia ist das typische Beispiel einer Opera seria, die sich in herrlich komponierten Arien, Duetten und Ensembles mit einer historisch-berüchtigten Person auseinander setzt. Aufgenommen wurde die Oper 2011 in San Francisco.

Donizetti scheint bei seiner Komposition bereits geahnt zu haben, dass der sehr negative Mythos über die uneheliche Tochter von Rodrigo Borgia, dem späteren Papst Alexander VI., sich im Laufe der Forschung etwas relativieren würde. In seiner Oper wird die Renaissance-Fürstin Lucrezia Borgia durchaus auch ihrem Ruf als kalkulierende Ehefrau und Giftexpertin gerecht, doch gibt er ihr auch sehr liebevolle Seiten, als sie ihren verloren geglaubten Sohn Gennaro wieder findet. Sie versucht ihn vor ihrem eifersüchtigen, grausamen Mann Don Alfonso I. zu beschützen. Doch am Ende fallen ihr Sohn und dessen bester Freund Maffio Orsini ihrem eigenen Racheplan zum Opfer.

John Pascoe setzt in seiner traditionell-historischen Inszenierung die unterschiedlichen Sichtweisen auf die Person Lucrezia um. Im Prolog erscheint sie als wunderschön schimmernde Dame auf einem Ball in Venedig, im ersten Akt als prächtige Ehefrau und im zweiten Akt als eine Art Kriegerprinzessin. In ihrem Fall sind die Kostüme von Pascoe auch sehr schön anzusehen. Doch beim restlichen Personal sieht das fast wie eine Hommage an Historienfilme der 1960-er Jahre gemischt mit Latex-Kostümen der Superhelden aus der gleichen Epoche. Fast sieht es so aus, als würde die Oper durchweg auf einem Maskenball in Venedig spielen. Am schlimmsten hat es die Hosenrolle des Maffio Orsini erwischt, die leider ganz unfreiwillig danach aussieht, als habe sich das Sams von Paul Maar in die Renaissance verirrt. Den unterschwelligen bisexuellen Charakter, den man gerne in die Freundschaft von Gennaro und Maffio hineininterpretiert, unterstreicht Pascoe noch, in dem er Gennaro oft mit sauber getrimmtem Brustkorb erscheinen lässt. Besser steht es um die Personenführung, wenngleich auch hier einige choreografische Einlagen, die von Lawrence Pech stammen, unfreiwillig komisch wirken. Doch ist es Pascoe hoch anzurechnen, dass er einen guten Kompromiss findet zwischen einer sängerfreundlichen Konzentration und einer lebendigen Körpersprache aller Beteiligten. Für das dramatische Finale verlässt er den historischen Weg und lässt Lucrezia Selbstmord begehen. Das Bühnenbild, für das Pascoe ebenso verantwortlich zeichnet, besteht aus einer einheitlichen dunklen Mauerkulisse. Darin finden sich Geheimtüren und andere fensterähnliche Öffnungen. Der Hintergrund kann schnell variabel umgestaltet werden. Das ist praktisch und sieht zudem auch gut aus.

Attraktivität trifft auch in jeder Hinsicht auf Renée Fleming zu, die mit weit gesponnenen, lyrischen Silberstreifen in der Stimme aufwarten kann. Doch mit einem schönen Lächeln und guter Technik allein ist die Lucrezia Borgia noch nicht interpretiert – und tatsächlich fehlt der Fleming das entscheidende Quäntchen Überzeugungskraft. Eine hörenswerte Freundschaft entspringt den Stimmen von Michael Fabiano und Elisabeth de Shong. Letztere interpretiert den Maffio Orsini mit einer Spur männlichem Draufgängertum und bringt noch einen agilen und hörenswerten Mezzosopran mit. An ihrer Seite steht mit Michael Fabiano ein sehr klangschöner Tenor, der beachtliche technische Qualitäten für den Gennaro aufweisen kann. Ein weiterer Pluspunkt in der Besetzung ist Viatlj Kowaljow mit passend dunkler Stimmfarbe für den Herzog Alfonso I. Kowaljow beweist auf dieser DVD, dass ein guter Wotan auch das italienische Fach bedienen kann. Auch die Comprimari sowie der von Ian Robertson vorbereitete Chor lassen keine Wünsche offen. Riccardo Frizza leitet ganz souverän das Orchester der San Francisco Opera mit nie zu vordergründiger Rhythmik und lässt die Sänger in guter Lautstärke begleiten. Der Applaus im San Francisco Opera House fällt dementsprechend sehr überschwänglich aus. Schon im Laufe der Vorstellung hört man immer wieder begeisterten Zwischenbeifall.

Nicht nur die Aufführung stellt zufrieden, sondern auch die Ausstattung. Eine Extra-DVD mit englischen Interviews ist schöne Ergänzung. Auch der klare Ton und die sehr ruhige Kameraführung können zufrieden stellen. Das Cover dagegen ist mit zu vielen Informationen etwas überfrachtet.

Christoph Broermann

Fotos: Cory Weaver