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 DVD-Besprechung

Die Jahreszeiten

1.7.2014

 

 

Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

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Ton

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Auftakt in Salzburg

Festspielintendant Alexander Pereira bringt eine Idee mit nach Salzburg: Die Ouverture spirituelle, eine Auftaktwoche der Salzburger Festspiele, in der „geistliche Werke aus der Feder katholischer und protestantischer Komponisten jedes Jahr auf solche einer anderen Weltreligion“ treffen, wie es in der Schrift der Festspiele heißt. 2013 stehen Haydns Oratorien Schöpfung und Jahreszeiten auf dem Spielplan. Recherchiert man kurz im Internet, findet man zu den anderen Weltreligionen die Programmpunkte wie Buddhistische Ritualgesänge oder Shōmyō und Gregorianik. Schade, dass EuroArts diese nicht mit auf der DVD eingebunden hat, und wäre es nur in einer kleinen Dokumentation gewesen. So wäre der Gedanke der Ouverture spirituelle etwas deutlicher geworden.

So bleibt es bei dem Eindruck, dass man bei den Salzburger Festspielen hochkarätige Musik erleben kann – zumindest wenn es nach den von Nikolaus Harnoncourt dirigierten Jahreszeiten geht, dessen Gedanken zu der Partitur man in jedem Takt lesen kann. Wer nicht mit der Herangehensweise des Dirigenten vertraut ist, der dürfte sich über sein auf den ersten Blick fahriges Dirigat, über seine teilweise zerdehnten Tempi wundern, die eine ganz andere Sprache sprechen als die meisten anderen Interpretationen. Wie ein Regie-Kommentar ist daher die auf der DVD enthaltende Dokumentation über Harnoncourts Probenarbeit an dem Oratorium empfehlenswert.

Wie immer muss man seine Interpretation nicht mögen, die manchmal etwas knapp am Gekünstelten vorbeischrammt. Aber dennoch kommt man nicht darum herum, die Feinarbeit zu würdigen, die betrieben wird. Da werden Haydns notierte Vorstellungen von Naturzuständen, von kleinen Details wie Pfeifen in dem filigranen Klang der Wiener Philharmoniker so deutlich hörbar, dass die Jahreszeiten wie ein Hörbuch erzählt werden. Es ist schon bewundernswert, wie das Orchester in seinen Instrumentengruppen so sauber, so geschlossen auftritt und gleichzeitig noch hochkonzentriert der unorthodoxen Leseart folgen kann. Da müssen die Einsätze zuweilen bis auf die letzte Hundertstel verzögert werden.

Auch die anderen „Erzähler“ sind erstklassig: Die Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor singt akzentuiert und engagiert, trifft die Tonsprache von Landmenschen, Jägern und Winzern gleichermaßen gut. Gleiches gilt auch für die Solisten: Dorothea Röschmann stellt ihren nach wie vor schönen Sopran in den Dienst des Werkes. Tenor Michael Schade beindruckt vom Mezza-Voce bis ins Forte hinein. Großartig ist Florian Boesch, der mit seinem kernigen Bariton den Arien pralles Leben verleiht.

Vom Publikum ist bis zur letzten Note kaum etwas zu sehen oder zu hören. Dann ist zunächst die Stille nach dem letzten Amen bemerkenswert, die zeigt, dass die Interpretation Eindruck hinterlassen hat. Der darauf folgende Applaus ist dafür eine weitere Bestätigung.

Christoph Broermann

Fotos: EuroArts