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 DVD-Besprechung

L'Italiana in Algeri

8.8.2014

 

 

Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Kamera

Ton

Chat-Faktor


Cover

 

 

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Zurück in die Siebziger

Gerade mal 21 Jahre ist Gioacchino Rossini, als er seine L’Italiana in Algeri komponiert. Er schreibt schnell, wie es seine Art ist, ohne Hang, Größeres entwerfen zu wollen, und ungestüm. Vom Ergebnis seiner Arbeit ist er nicht so überzeugt. „Ich ging davon aus, dass die Venezianer, sobald sie meine Oper zu Gehör bekämen, davon ausgingen, dass ich verrückt sei. Doch sie haben sich selbst als verrückter erwiesen, als ich es bin“, soll er gesagt haben. Auch heute noch unterstellt man dem Musiker gern scherzhaft Drogenkonsum während der Arbeit ob der Exaltiertheit der Musik. Die Italiener verehren Rossini bis heute wie einen Heiligen. Und so verwundert es kaum, dass sie 1980 in seiner Geburtsstadt Pesaro ein Festival installierten, das bis heute äußerst erfolgreich in den Sommermonaten stattfindet. Das Festival hat sich auf die Fahnen geschrieben, selten gespielte Werke erstmals wieder aufzuführen oder erstmals vollständig zu präsentieren. Daneben werden auch rare Stücke aus seinem Umfeld gezeigt. Ein ähnliches Konzept verfolgen auch Wildbad seit 1989 und Knoxville in Amerika seit 2001. Weil seit der Uraufführung der Italienerin in Algier exakt 200 Jahre vergangen sind, soll sie aus diesem Anlass in Pesaro gezeigt werden.

Nun neigen verschiedene Regisseure dazu, die Überdrehtheiten der Musik auf der Bühne zu wiederholen. Das muss nicht immer funktionieren. Regisseur Davide Livermore treibt es allerdings so bunt, dass man an seiner Inszenierung einfach Spaß haben muss. Er verlegt die Handlung seiner Pop-Oper in die 1970-er Jahre und bringt so ziemlich alles an komischen Elementen auf die Bühne, was man sich derzeit denken kann. Gianluca Falaschi steckt die Akteure in farbenprächtige, fantasievolle, gern aber auch erotische Kostüme, ohne die Charaktere zu verdecken. Von der Zofe, die permanent den Staubsauger schwenkt, bis zur Tunte sind so ziemlich alle Rollen der Opera buffa vertreten. Videoprojektionen von D-WOK bringen grobe Comic-Elemente auf den Bühnenhintergrund und die Drehbühne im rechten Drittel. Aber vor allem sorgt Livermore dafür, dass sich ständig Personal auf der Bühne befindet, das ununterbrochen in Bewegung ist. Im Zweifelsfall wird zur Musik von Rossini geswingt, was das Zeug hält. So können die Protagonisten nahezu durchgängig stehen oder sitzen, ohne dass es großartig auffällt. Kein neuer Trick, aber wenn er gut gemacht ist, lassen ihn selbst die Italiener durchgehen.

Und so können die Sängerinnen und Sänger großartige Leistungen erbringen. Angefangen bei Alex Esposito als ständig zigarrenrauchendem Mustafà, einer spielerisch wie sängerisch bestens aufgelegten Mariangela Sicilia als werdende Ex-Frau Elvira, über Yijie Shi als über den Dingen stehenden Lindoro, Mario Cassi in der Rolle des Taddeo bis hin zur Italienerin Isabella, die Anna Goryachora ganz entzückend darbietet. Der Chor des Teatro Comunale di Bologna unter Andrea Faidutti sorgt zusätzlich für ordentliche Stimmung auf der Bühne.

Ebenfalls aus Bologna kommt das rasant aufspielende Orchester. José Ramón Encinar liebt es temporeich, was hier und da auf Kosten der Finessen geht, niemals aber der Sängerinnen oder Sänger. Dem Publikum gefällt es.

Die Kameras von Videoregisseur Tiziano Mancini fangen all das recht ordentlich während der Aufführung im August vergangenen Jahres ein, und auch die Musik ist ordentlich ausbalanciert, allerdings auf niedrigem Level, so dass man die Lautstärke ordentlich nach oben drehen muss. Dafür bekommt man als Extra ein Making-off geliefert. Die „Cast Gallery“ kann man sich schenken. Schlechtere Arbeit liefert Opus Arte ab, abgesehen von dem Verdienst, die Aufführung via DVD einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Da heißt es dann in Vorspann wie Begleitheft schon mal „Dramma giocoso per musica in two acts“. Das dürre Begleitheft, „wie üblich“ in drei Sprachen und Mikroskripsie gehalten, macht ebenso wenig Freude wie die langweilige Standardverpackung. Wer sich davon nicht abschrecken lässt, darf sich auf zweieinhalb Stunden ungetrübten Rossini-Spaß freuen.

Michael S. Zerban

Fotos: Opus Arte