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 DVD-Besprechung

Les Indes Galantes
31.7.2015

 

 

Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Kamera

Ton

Chat-Faktor


Cover

 

 

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Stummfilm mit Nackedeis

Les Indes Galantes, zu Deutsch etwa Die zuvorkommenden Exoten, ist eine Ballett-Oper von Jean-Philippe Rameau. Diese Form der Oper unterscheidet sich zu anderen Formen dadurch, dass sie nicht zwingend eine Handlung verfolgt, sondern eher episodisch aufgebaut ist. Und so erklärt sich auch, warum bei der Uraufführung am 23. August 1735 in der Pariser Académie royale de musique lediglich zwei Aufzüge gezeigt wurden. Erst im darauffolgenden Halbjahr fügte Rameau weitere zwei Aufzüge hinzu. Nach anfänglichen Erfolgen geriet Rameaus Meisterwerk wieder in Vergessenheit. Seit 1925 kam es immer wieder mal zu neuen Inszenierungen. So auch im Februar 2014 an der Opéra National de Bordeaux. Die Aufzeichnung hat jetzt Alpha Classics veröffentlicht.

Eine Ballett-Oper ist gerade aus Sicht der Regie besonders reizvoll, konzentriert sie sich doch auf die „spektakuläre Inszenierung mit prunkvollen Kostümen, überraschenden Effekten der Bühnenmaschinerie und vor allem auf den Tänzen“, wie in Wikipedia nachzulesen ist. Laura Scozzi hat sich als Regisseurin und Choreografin der Aufgabe angenommen, die Reisegeschichte Rameaus neu zu erzählen. Chor und Ballett werden in ferne Länder entsendet, um die dort üblichen Formen der Liebe zu erkunden. Scozzi lässt den Spaß im Garten Eden beginnen – also tritt das Ballett nackt in üppigem Grün auf. Eine halbe Stunde – so lang dauert der Prolog – kann man sich die tanzenden Nackedeis anschauen. Erotisch ist das nicht, aber auch nicht schlimm. Anschließend geht es in bekleidetem Zustand in verschiedene Länder. Es gibt wenig Gesang, der von Amel Brahim-Djelloul, Nathan Berg und ihren Kollegen höchst angenehm präsentiert wird. Auch der Chor der Oper gefällt mit seinen kurzen Auftritten in der Einstudierung von Alexander Martin. Im Vordergrund aber stehen die Tänzer, Komiker und Statisten, von Jean-Jacques Delmotte in komische bis klischeehafte, heutige Kostüme gesteckt. In Klischees badet auch Scozzi, wenn sie den Kokser in Peru, den Mädchenhändler oder das Leben im Schnelldurchlauf darstellen lässt. Alles aber stimmig und handlungs- und temporeich, und so bereitet der Stummfilm mit Musik von Rameau auf den Tableaus von Natascha Leguen de Kerneizon einen kurzweiligen Spaß.

Die Bilder, die Gabriel Scialom mit seinen Kameras einfängt, sind sehr ausgewogen zwischen Zoom, Halbtotale und Totale. Manchmal scheint der Standort unglücklich gewählt, dann werden Köpfe angeschnitten oder es gibt mehr Bühnenrand als Bühne zu sehen.

Ansonsten aber durchaus ein filmisches Vergnügen mit einer guten Tonaussteuerung, die vor allem den Talens Lyriques, dem Orchester, unter der Leitung von Christoph Rousset zu Gute kommt. Hier kann man die Rameausche Musik in vollen Zügen genießen.

Verpackt ist die DVD in einem ansprechenden Pappeinband mit Plastikinlay in Taschenbuchformat. Lobend zu erwähnen ist das dreisprachige Begleitheft mit einer gerade noch annehmbaren Schriftgröße.  Statt des üblichen Blablas findet sich hier ein interessanter Text des Dirigenten Rousset zu den musikalischen Aufführungsaspekten sowie ein ausführliches Interview mit der Regisseurin Scozzi, die über ihre Sichtweise auf das Stück bereits vor der Premiere mit der Journalistin Noëlle Arnault sprach. Weniger Geschick zeigen die Hersteller der DVD, die die Wahl der Untertitel in einem Untermenü verstecken. Aber die Suche lohnt sich, zumal die Untertitel im Gegensatz zu sonstigen französischen Produktionen in einem vernünftigen Deutsch erscheinen.

Insgesamt hat Alpha Classics hier eine ausgesprochen schöne Produktion vorgelegt, die nunmehr auch den deutschen Zuschauern Spaß macht.

Michael S. Zerban, 31.7.2015

 

Fotos: Alpha Classics