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DVD-Besprechung

Idomeneo

28.7.2013


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Kamera
Ton

Chat-Faktor


Cover





 

 

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Lähmendes, antiquiertes Stehtheater

Man ist heute extrem verwöhnt. Verwöhnt von den aufnahmetechnischen Möglichkeiten, von anregenden Inszenierungen und von großartigen, musikalischen Realisierungen. Natürlich sollte man ins Kalkül ziehen, das die jetzt aufgelegte DVD von Arthaus aus 1974 beinahe 40 Jahre alt ist. Aber bei allem Respekt vor historischen Aufnahmen: Eine derartig verzopfte Inszenierung von Wolfgang Amadeus Mozarts Idomeneo, wie jene vom Glyndebourne Festival, ist heutzutage kaum mehr auszuhalten.

Denn die Regie von John Cox wirkt auf der relativ kleinen Bühne des Opernhauses mehr als bescheiden, ja ist teilweise überhaupt nicht vorhanden. Eine Art metallischer Tunnel, dessen Hintergrund immer von schwülstigen, antiken Gemälden, der die Orte der Handlung anzeigen sollen, der aber auch einmal von einem Riesenkopf mit Glubschaugen, dem geradezu lächerlichen Seeungeheuer, dominiert wird, bildet das von Roger Butlin erdachte Bühnenbild. Hier wird in Uralt-Kostümen aufgetreten, dann hauptsächlich herumgestanden, die Arien werden mit abgestandenen Operngesten und überzogener Mimik begleitet, und dann wird wieder abgegangen. Dazu kommen noch diese schrecklich überzogenen Uralt-Bärte wie aus der Stummfilmära. Seltsamerweise und auch ohne Erklärung im Beiheft ist der erste Akt auf bloße 20 Minuten zusammengestutzt und startet erst mit dem ersten Auftauchen des Titelhelden.

Dieser wird von Richard Lewis zwar sehr ausdrucksstark gestaltet, mit den Koloraturen und der Intonation nimmt er es allerdings nicht allzu genau. Sein Sohn Idamante ist entgegen der heutigen Aufführungspraxis mit einem Mann besetzt: Von Leo Goeke, der über einen ausgesprochen schönen, lyrischen Tenor verfügt, aber fallweise zur Larmoyanz neigt. Ausgesprochen innig singt Bozena Betley die Ilia. Sie neigt jedoch darstellerisch und sängerisch etwas zur Theatralik. Ebenso wie Josephine Barstow, die die Elettra sehr expressiv aber auch ziemlich manieriert singt. Mit feinem Stimmorgan erlebt man Alexander Oliver als Arbace. Eindrucksvoll singt John Fryatt den Hohenpriester des Neptun. Orgelnd hört man Dennis Wicks als Stimme des Neptuns.

Nicht so genau wie heute, aber das scheint insgesamt ein Übel der damaligen Zeit gewesen zu sein, nimmt es John Pritchard am Pult des London Philharmonic Orchestra mit Intonation und Exaktheit im Zusammenspiel, auch mit dem an sich gut singenden Chor. Trotzdem wird aber frisch und mit mitreißender Dramatik musiziert.

Natürlich war man damals bei weitem aufnahmetechnisch nicht so weit fortgeschritten wie heute. Aber trotzdem müsste der Ton insgesamt nicht so schlimm sein: Es scheppert immer wieder bei den Stimmen und beim Orchester im dynamisch lauteren Bereich. Dumpf und blechern erklingt die Musik und ist von einer optimalen Qualität weit entfernt.

Hingegen fängt die Kamera das Geschehen immer wieder ideal ein und ist mit vielen interessanten Details am Brennpunkt des Geschehens.

Begeistert reagiert das Publikum und spendet viel Applaus, wiewohl der Schlussapplaus der Protagonisten nur hörbar und nur ganz kurz sichtbar ist. Denn da sieht man bereits den Abspann.

Informativ ist das Begleitheft sowohl was die Informationen über den Komponisten als auch die Oper betrifft.

Helmut Christian Mayer

Foto: Southern Television