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DVD-Besprechung

Die Hugenotten

17.5.2013


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Kamera
Ton

Chat-Faktor


Cover





 

 

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Religionskrieg bis an die Mauer

Arthaus Musik hat in Zusammenarbeit mit der Deutschen Oper Berlin die selten gespielte Meyerbeer-Oper Die Hugenotten herausgebracht und damit eine viel umjubelte Aufführung aus dem Jahr 1991 als Direktaufzeichnung wieder zugänglich gemacht. In der Regie von John Dew und der musikalischen Leitung von Stefan Soltesz richtet Brian Large die Aufzeichnung ein.

Dew, auf zahlreichen Bühnen als Regisseur und Intendant zu Hause, legt den Zeitraum der Handlung zwischen die Hugenottenkriege und die Pariser Bluthochzeit von 1572 bis hin zur Berliner Mauer, um die Sinnlosigkeit und Dramatik der Auseinandersetzungen um die „richtige“ Ideologie zu interpretieren. Hierzu liefert Gottfried Pilz ein zunächst grau-kühles, dann auch wieder knallend buntes Bühnenbild und Kostüme, die die Widersprüche der Handlung unterstreichen. Die königstreuen Katholiken markiert er mit leuchtend roten Käppis und blauroten Blousons, die Hugenotten bleiben ein dunkler Haufen. Während Kostüme und Bühnenbild von Akt zu Akt wechseln und bis zum Swimmingpool nach Hollywoodart reichen, bleibt der Bühnenhintergrund rätselhaft dunkel oder kühl. Dew nutzt die relativ große Bühne für viel Mobilität der einzelnen Personen und gibt vor allem den Gruppen Bewegungsspielraum. In der nächtlichen Schlussszene, in der die Hugenotten von den Katholiken niedergemacht werden, bildet die Nachbildung der Berliner Mauer vor dem blutroten Liedtext Ein feste Burg eine gespenstische, zeitnahe Kulisse.

Die Gesangsbesetzung der Aufführung ist ausgezeichnet. Angela Denning als Marguerite de Valois zeigt mit ihrem dramatischen Sopran alle Seiten dieser zerrissenen Königin von Navarra, Lucy Peacock in der Rolle der Valentine überzeugt mit klarem, auch in dramatischen Höhen sicheren Sopran, Richard Leech gibt einen jugendlichen Raoul mit hellem, zum Teil leuchtenden Tenor, dem auch einige Belcanto-Töne gelingen. Martin Blasius als Marcel beherrscht mit harmonischem, wohl klingendem Bass manche Szene, und Camille Capasso ragt in der Rolle des Pagen Urbain mit erstaunlichen Koloraturqualitäten hervor.

Der dramatischen Handlung entspricht Giacomo Meyerbeers Musik. Tumultartige Kampfszenen unterstreicht ein mächtiger Chor, in dramatischen Duetten spiegeln sich Auseinandersetzungen, zarte Duette begleiten die Liebesszenen zwischen Valentine und Raoul, und in bewegenden Soli tragen Raoul oder Marcel ihre Selbstzweifel vor. Stefan Soltesz hält das Orchester so weit zurück, dass die Stimmen deutlich im Vordergrund klingen, ohne dass wuchtige Chorpassagen fehlen. Ohne Mühe präsentiert das Orchester die vielen Seiten der abwechslungsreichen, aber auch romantischen Musik, mit der Meyerbeer schon zu Lebzeiten das Publikum gewann.

Diese Berliner Aufführung hat noch keinen Staub angesetzt, sie wirkt weitgehend zeitlos, über lange Strecken eher konventionell und zeigt wenig Überraschendes. Erfreulich ist dann, dass vor allem der fünfte und Schlussakt dank der Sänger deutlich an Spannung gewinnt, wenn die Große Oper zu einem beklemmenden Ende kommt, wenn wieder einmal viele Menschen Opfer einer Ideologie werden. Das Publikum dieser Aufzeichnung geizt nicht mit Zwischenapplaus und bedankt sich mit rauschendem Beifall.

Insgesamt gesehen ist die DVD-Aufzeichnung dieser Meyerbeer-Oper ein Gewinn. Vor allem der Liebhaber Meyerbeerscher Musik wird durchweg gut bedient, Orchester und Sänger sind hervorragend. Die Bildregie hält sich mit Schnitten zurück und wechselt meist nur zwischen den drei üblichen Einstellungen Totale, Halbtotale und Nahaufnahme, wobei nicht alle Einstellungen der Nahaufnahmen gelingen. Für den aufmerksamen Zuschauer stören einige unsaubere Bild-Ton-Synchronisationen, die vor allem bei den Soli auffallen.

   

Horst Dichanz

   

Fotos: Kranichphoto