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 DVD-Besprechung

Götterdämmerung

16.4.2014

 

 

Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Kamera

Ton

Chat-Faktor


Cover

 

 

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Aus Langeweile versteinert

2014 fallen die letzten Knochen vom großen Wagner-Buffet des vorigen Jahres herunter. Und nicht jedes Opern-Fleisch hat sich gelohnt. Ganz oben in der Liste der überflüssigen Veröffentlichungen dürfte sich – trotz einer guten bis hervorragenden musikalischen Leistung – der aktuelle Ring der Mailänder Scala finden, dessen DVD-Erscheinung beim Label Arthaus mit der Götterdämmerung nun vollendet wird. Die Koproduktion mit der Staatsoper unter den Linden von Guy Cassiers hat sich vom schwachen Rheingold an nie wirklich weiter entwickelt, sondern vertraut bis zum Ende der Bühnenästhetik von Enrico Bagnoli. Doch auch dieser kann im Finale kaum noch das Eisen aus dem Feuer holen. Aus dem Walkürenfelsen ist ein gezähmtes, eckiges Podest geworden. Die Macht der Gibichungen wird durch eine goldene, fahrbare Treppe symbolisiert. Stattdessen lässt Bagnoli viel Platz im Hintergrund, damit Arjen Klerkx und Kurt D’Haeseleer ihre optisch ansprechenden Videos einsetzen können. Gerade am Ende, an dem Feuer lodert, wenn Brünnhildes schreiendes Gesicht im Wasser des Rheins verschwindet, gibt es noch mal ordentlich was zum Hingucken. Eine Wirkung bleibt aber aus, weil Cassiers es einfach nicht schafft, menschliche Spannung auf die Bühne zu bringen.

So artig und nach Stoppuhr wurde Siegfrieds Ermordung noch nie abgespult – da darf man Bagnoli noch dankbar sein, dass er ein paar Lichteffekte beisteuert. Wenn der tödlich getroffene Gunther von der Bühne abgeht (!), lässt Patrizia Carmine ihre Kameras schnell beschämt beiseite sehen. Wie auch an den vorherigen Abenden werden Nahaufnahmen von Personen bevorzugt, weil sich in der Mimik meistens Leben findet. Allerdings muss man so die oft schmutziggrauen Kostüme von Tim van Steenbergen betrachten. Brünnhildes Opfertod läuft so statisch-durchgeplant ab, dass der Zuschauer gelangweilt zum Booklet greift. Dort findet er immerhin eine ausführliche Beschreibung des steinernen Fries, das sich am Ende vor die karge Szene senkt. Die versteinerten Figuren darin könnten die Zuschauer symbolisieren, aber an sich handelt es sich um Les passions humaines – Die menschlichen Leidenschaften von Bildhauer Jef Lambeuaux, die sich wie ein Leitmotiv durch das Bühnenbild der Tetralogie ziehen, ohne weder großartig aufzufallen noch den Sinn dieser Inszenierung zu erhöhen.

Auch wenn das Orchester der Scala nicht ganz so konzentriert klingt wie noch in Walküre und Siegfried, gelingen ihm unter der Leitung von Daniel Barenboim großartige Momente. Da fallen nicht nur die orchestralen Höhepunkte auf, wie etwa das Finale, in dem Barenboim das Aufeinandertreffen von Wallhall- und Götterdämmerungsmotiv mit dem fahlen Klang einer Totenmesse ausstattet. Oft setzt er in scheinbar ganz nebensächlichen Motiven einzelne Spotlights, so dass man seiner Interpretation stets gespannt zuhört. Bei den Sängern gibt es sehr gute Leistungen zu hören, ohne dass aber die Intensität der vorangegangenen Teile erreicht würde. Iréne Theorin etwa ist eine sehr intensiv singende Brünnhilde, die mit einem sehr schönen Timbre und dem Sinn für Pianokultur angenehm in Erinnerung bleibt. Sie erreicht aber nie das Format ihrer Vorgängerin Nina Stemme. Lance Ryan ist und bleibt ein stattlicher, konditionsstarker Siegfried – trotz einiger sehr hässlich angeschmierter Töne. Mikhail Petrenko kann dem Hagen jeden nötigen Ton geben, doch diesem Intriganten fehlt es eindeutig am letzten bisschen Ausstrahlung. Anna Samuils Gutrune ist ein bisschen besser als der trockene Gunter von Gerd Grochowski. Fulminante Wiederbegegnungen gibt es mit Waltraud Meier als Waltraute und Johannes Martin Kränzle als Alberich.

Wieder mit dabei sind auch die Tänzer der Eastman Ballet Company Antwerp, die im Rheingold noch eine zentrale Funktion hatten. In der Götterdämmerung ist ihr Auftritt als Tarnhelm, der Siegfried zu Gunther macht, recht schlüssig. Die getanzte Rheinfahrt erscheint dagegen mehr wie eine szenische Verlegenheitslösung. Recht freundlich, aber auch etwas müde fällt am Ende der Applaus des Publikums aus. Und der Zuschauer zuhause hat nebenher zu Abend gegessen. Schade drum.

Christoph Broermann

Fotos: Marco Brescia/Rudy Amisano