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 DVD-Besprechung

Der fliegende Holländer

23.9.2014

 

 

Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Kamera

Ton

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Cover

 

 

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Schwarzweiß-Kontraste mit Zwischentönen

Schaut man sich die alten Aufzeichnungen von den Bayreuther Festspielen an – wie etwa den legendären Holländer in der Inszenierung von Harry Kupfer – dann ist die Stille nach dem letzten Ton immer ein großer Bruch, weil man den Applaus erwartet. Diese Zeiten sind vorbei, denn mittlerweile werden die Publikumsreaktionen in Bayreuth eingefangen. So auch bei der aktuellen Holländer-Produktion, die 2013 aufgezeichnet wurde und nun von Opus Arte veröffentlicht wird. Dabei löst Aufnahme-Regisseur Michael Beyer auf den ersten Blick ein Problem sehr gut. Für die Bildschirme zu Hause wird die im stockfinsteren Festspielhaus ablaufende Ouvertüre mit zur Inszenierung passenden Zeichnungen bebildert. Warum man nicht einfach mal einen Blick auf Dirigent Christian Thielemann und das Festspielorchester bekommt, bleibt offen. Denn mitunter sind Schwarzweiß-Kontraste, die später auch auf der Bühne von Christof Hetzer vorkommen, ziemlich ermüdend. Immer wieder wird das depressive Schwarz, das wie ein Ölfilm an den Wänden hinabrinnt, plakativ eingesetzt.

Der Daten-Sturm, den Urs Schönebaum und Martin Eidenberger mit Beginn des ersten Aktes über die Bühne jagen, ist so ziemlich das Einzige, was optisch mal etwas hermacht. Regisseur Jan Philipp Gloger siedelt die Handlung nicht auf dem Weltmeer an, sondern vielmehr im Welthandel. Die damit verbundenen Reibungen mit Wagners Libretto kann man verschmerzen, da der rote Faden im Großen und Ganzen Sinn macht und bis zum Finale durchgehalten werden kann. Daland und sein Adlatus, früher sprach man vom Steuermann, treiben unermüdlich die Geschäfte an, während die Frauen in der Fabrikhalle die Ventilatoren – deshalb wird vermutlich immer vom Südwind gesungen – einpacken. In diesem mit Anzügen und Arbeitskluft uniformierten Umfeld – die zweckmäßig gehaltenen Kostüme von Karin Jud passen in die Aufführung – haben die Aussteiger schlechte Karten. Hausmeister Erik ist Gespött der Frauen, seine angebetete Senta sucht nach einer gleichgesinnten Seele und findet die in einem ehemaligen Geschäftsmann. Dank Maske und Kostüm wird der Holländer als müdes, ausgebranntes Wesen gekennzeichnet, von dem nach und nach das menschliche Weiß abbröckelt. Er entdeckt in der Begegnung mit Senta seine Fähigkeit zu fühlen, zu leiden und sogar zu sterben. Diese Mischung aus Kapitalismuskritik und Psychologiestunde hätte man sogar noch pointierter erzählen können. Gloger gibt den Protagonisten vor allem im ersten Akt einige interessante Momente in der Personenführung. Doch insgesamt bleibt die Aufführung recht brav. Nur für das Ende hat Gloger eine sarkastisch zugespitzte Idee: Im Erlösungstod von Senta und Holländer findet der Steuermann eine neue Verkaufsstrategie und während Christian Thielemann unten im mystischen Abgrund das Verklärungsthema sensibel gen Himmel steigen lässt, wird auf der Bühne schon das nächste Produkt verpackt.

Wenn man etwas an dieser DVD als hundert prozentig festspielwürdig empfindet, dann die musikalische Durchdringung von Christian Thielemann und dem Bayreuther Festspielorchester. Hier entdeckt man das ganze Potenzial, das Wagners Partitur bietet. Natur, Mystik, Hoffnung und Verzweiflung. Der mittlerweile fast schon legendäre Chor der Festspiele unter der Leitung von Eberhard Friedrich ist ebenso ein Garant für den musikalischen Genuss. Herren und Damen liefern die berühmten Seemannschöre kultiviert und stimmstark ab. Auch an der Besetzung gibt es wenig zu meckern: Samuel Youn passt zu Glogers menschlicher Interpretation. Sein Holländer ist weniger dämonischer Seefahrer – wenngleich er dafür auch heldische Attacke hätte. Doch vielmehr berühren in seiner unforcierten Interpretation die vielen Zwischentöne, die tiefe Enttäuschung, aber auch eine Spur Hoffnung auf Erlösung ausdrücken. Seine Senta ist mit Ricarda Merbeth dazu homogen besetzt: Keine Heroine, sondern eine bis in die Höhen hinein wirklich elegant und schön singende Figur, die sich entschlossen opfert, um sich und den Holländer zu befreien. Stark gewinnorientiert stellt der Daland von Franz-Josef Selig selbst einen Gewinn für die Aufführung dar. Benjamin Bruns darf als Steuermann darstellerisch den unsympathischen Streber rauskehren, ist stimmlich aber ein lyrischer Prinz Charming. Tomislav Muzek singt einen höchst souveränen Erik, allerdings ohne die letztendlich packende Leidenschaft. Christa Mayer als Mary rundet die Besetzung positiv ab.

Ebenso positiv ist, dass man auf der DVD ein paar Interviews zu sehen bekommt. Allerdings mutet es etwas merkwürdig an, dass man von der Sängerbesetzung „nur“ Benjamin Bruns ausgewählt hat. Er wie auch die anderen Sänger bekommen vom Publikum einen wirklich warmen, zufriedenen Applaus ab. Eine gute Weiterentwicklung, dass man das jetzt mitverfolgen kann.

Christoph Broermann

Fotos: Opus arte