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 DVD-Besprechung

Die Entführung aus dem Serail

25.8.2013

 

 

Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Kamera

Ton

Chat-Faktor


Cover

 

 

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Deutsch für Spanier

Manchmal geht das Leben auf der Bühne kuriose Wege. Üblicherweise wird bei der Inszenierung der Entführung aus dem Serail der deutsch gesprochene Text zusammengestrichen, um den Operncharakter zu betonen. Nicht so im spanischen Barcelona, wo Regisseur Christof Loy eine Entführung zur Aufführung gebracht hat, die den gesamten Sprechtext enthält. Diese Inszenierung ist vom Gran Teatre del Liceu in Kooperation mit Unitel Classica aufgezeichnet und von C Major als DVD veröffentlicht worden.

Wohl zu Gunsten des schönen Gesangs hat Loy weitgehend auf Bewegung auf der kargen Bühne von Herbert Murauer verzichtet. Die Bühne ist mit einem Plattenmosaik belegt, auf dem das Amtszimmer Osmins mit einem schmucklosen Schreibtisch und ein paar Stühlen ebenso schnell markiert ist, wie der Palast mit einem Teppich und einem Esstisch inklusive zugehöriger Stühle. Im Hintergrund wechselt ein Prospekt, auf dem ein azurner Himmel mit ein paar weißen Wolken zu sehen ist, mit Projektionen, die Parallelhandlungen oder -szenen zeigen. Auch bei den Kostümen lässt Murauer wenig Platz für Orientfantasien. Zu hellen Straßenanzügen oder konservativen Röcken darf es mal ein Fes oder ein mit orientalischem Muster bedruckter Morgenmantel sein. Lediglich Konstanze bekommt eine rote Robe mit einer turbanähnlichen Kopfbedeckung. Die Beleuchtung von Olaf Winter ist zweckmäßig und verzichtet ebenfalls auf größere Effekte. Video-Regisseur Pietro d’Agostino und seinen ausgewogenen Kamerafahrten und -einstellungen ist zu verdanken, dass der Zuschauer am heimischen Bildschirm mehr Bewegung zu sehen bekommt, als auf der Bühne tatsächlich vorhanden ist. In solch minimalistischem Rahmen lässt es sich komfortabel singen.

Loy darf über ein Spitzenensemble verfügen. Als Konstanze bringt Diana Damrau einen sanft austarierten Sopran zu Gehör, der mühelos zwischen den Lagen wechselt und auch in der Höhe sauber ausgesungen wird. Olga Peretyatko präsentiert eine kokett-anmutige Blonde, die die durchaus anspruchsvollen Koloraturen der Partie scheinbar mühelos ausformuliert und mit silberheller Stimme das Publikum zu heftigstem Zwischenapplaus bewegt, der im Übrigen auch der Damrau und Christoph Strehl zuteil wird. Die Rolle des Belmonte ist undankbar. So bleibt Strehl ein wenig blass in der Erscheinung, überzeugt aber mit schönem Gesang. Franz-Josef Selig verleiht dem Aufseher Osmin einen wunderbaren, samtenen Bass, der nie an Verständlichkeit verliert. Pedrillo wird von Norbert Ernst nicht als übertrieben-schlitzohriger Komiker überdehnt, allerdings bleibt die Verschmitztheit auch nur angedeutet. Aber auch hier gehört das Duett von Osmin und Pedrillo Vivat Bacchus! Bacchus lebe! zu den Höhepunkten der Inszenierung.

Sehr beschwingt gibt sich der von José Luis Basso einstudierte Chor auf den Balkonen des Liceu. Auch Ivor Bolton hat als Musikalischer Leiter sichtbar Spaß an der Aufführung und führt das Symphonie-Orchester des Theaters mit großer Leichtigkeit und Spielfreude durch die Partitur, ohne je die Sänger im Stich zu lassen. Der große Beifall des Publikums bleibt nicht aus.

Insgesamt hat C Major hier eine technisch einwandfreie DVD vorgelegt, wenn auch das lieblos gestaltete Cover und ein leider schon gewohnt schmales, dreisprachiges Begleitheft im ersten Eindruck abschrecken. Wer aber in die Oper geht, um dem Gesang zu lauschen, trifft hier auf ein brillantes Ensemble, das an Kunstfertigkeit kaum noch zu übertreffen sein dürfte. Ob die in Pose so begeisternde Diana Damrau auch in Bewegung noch eine solche Perfektion aufbieten kann, wird sie in diesem Jahr bei den Salzburger Festspielen unter Beweis stellen können, wenn sie in Österreichs erster TV-Oper als Konstanze auftreten wird.

Michael S. Zerban