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 DVD-Besprechung

Don Pasquale

21.7.2014

 

 

Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Kamera

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Ordentlich Stimmung in der Bude

Wie oft entzünden sich die Gemüter der Opernfreude darüber, ob man die Handlung zeitlich verlegen darf oder ob eine klassische Inszenierung in den meisten Fällen antiquiert und verstaubt wirkt. Wie schön man die beiden Attribute klassisch und modern vereinen kann, beweist Mariame Clément in ihrer Inszenierung des Don Pasquale, nachzusehen auf der von Opus Arte veröffentlichen DVD, die im August letzten Jahres bei den Festspielen von Glyndebourne aufgenommen wurde. Cléments Produktion bereitet von daher Freude, weil sie im wahrsten Sinne des Wortes Leben in die Bude bringt. Es ist das Haus von Don Pasquale, ein Karussell der Emotionen, das Julia Hansen auf die Drehbühne gestellt hat. Unterteilt ist es in Pasquales Wohnstube, Ernestos Zimmer und – das ist vielleicht etwas ungewohnt – auch Norinas Boudoir, was aber symbolisch zu verstehen ist. Wie ein böser Geist schleicht Doktor Malatesta nun von Zimmer zu Zimmer – nicht immer benutzt er dafür die normalen Türen – und manipuliert alle Beteiligten nach seinem Willen.

Die tragen dank Hansen schöne, historische Kostüme und agieren doch mit einer Lust, die man eher aus modernen Inszenierungen kennt. Beachtlich ist, wie detailliert Clément an den Charakteren gearbeitet hat. Der Chor wird als Beobachter eingesetzt, damit man die vier Sänger quasi als Hauptpersonen ganz konzentriert erleben kann. Eine stumme Dienerin ist die Neugierde in Person, die ihren Hausherrn am liebsten auf Schritt und Tritt betüddeln möchte. Es sind wirklich Personen auf der Bühne, die eine Geschichte zu erzählen haben. Umso deutlicher bekommt man mit, dass Norina nicht nur mit dem eleganten, aber notorisch jammernden Balladensänger Ernesto anbandelt, sondern auch eine Beziehung zum Strippenzieher Malatesta pflegt. Clément wandert die möglichen Grenzen dieser insgesamt heiteren Oper trefflich ab. Der Spielraum zwischen den Wänden auf der Bühne spiegelt den doppelten Boden des Werkes wider. Das bedeutet freilich nicht, dass nicht gelacht werden darf – im Gegenteil. Angefangen beim Slapstick bis hin zur bitteren Ironie schöpfen Clément und Hansen die Möglichkeiten des Humors aus, ohne in große Übertreibungen zu verfallen.

Auch musikalisch ist dieser Pasquale ausgeglichen und lebendig. Donizettis Partitur verleitet viele Dirigenten zum übertriebenen Sprintlauf durch die Arien, Duette und Ensembles. Auch Enrique Mazzola versteht sich mit dem hervorragend disponierten London Philharmonic Orchestra bestens auf höllische Accelerandi, doch schöpft er vor allem aus dem Reichtum der Musik. Wenn möglich lässt er die Rezitative lieber deutlich sprechen, setzt gezielte Akzente und lässt die Musik einfach voller Feinheiten leben. Dabei strahlt er so eine Freude aus, dass Aufnahmeregisseurin Myriam Hoyer immer mal wieder nach dem Dirigenten schauen lässt. Dabei gibt es schon auf der Bühne eine Menge zu sehen, denn vier Bühnentiere sind dort zu Werke, nein, vielmehr fünf, denn auch die stumm spielende Anna-Maria Sullivan ist spielfreudig dabei. An sechster Stelle müsste dann noch James Platt als komischer Notar genannt werden. Aber die meiste Aufmerksamkeit bekommen verdientermaßen die Sängerinnen und Sänger. Alek Shrader kämpft vielleicht eine Spur zu deutlich mit der hohen Lage des Ernesto. Dieser unglücklich verliebte Faulpelz ist aber durchweg sympathisch und auch schön anzuhören. Auch Danielle de Niese wirkt zuweilen etwas zickig hochgeschraubt. In Sachen Virtuosität und Spielwitz ist diese Norina aber perfekt besetzt. Nikolay Borchev intrigiert mit agilem Bariton, der vielleicht eine Spur mehr Körper vertragen könnte, und boshaftem Schalk. Dieser Malatesta ist wirklich ein böser Kopf. Alessandro Corbelli ist einmal mehr der Inbegriff des Belcanto-Buffo. Seine Erfahrung in der Titelpartie lässt ihn auch über einen großen Texthänger im zweiten Akt stehen, weil er dann einfach vorherige Zeilen wiederholt. Die beiden berühmten Chöre werden vom Glyndebourne Chorus lustvoll vorgetragen – ein Lob an Chorleiter Jeremy Bines.

Die Aufführung hinterlässt im schönen Theater von Glyndebourne auf jeden Fall Wirkung, wie der recht ausgelassene Applaus und auch die spontanen Lacher im Publikum beweisen. Zuhause wird man sicherlich auch seine Freude daran haben, zumal man auch einen sehr schönen Probeneindruck als Extra bekommt. So muss das sein.

Christoph Broermann

Fotos: Opus Arte