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 DVD-Besprechung

Don Giovanni

7.9.2014

 

 

Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Kamera

Ton

Chat-Faktor


Cover

 

 

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Nicht notwendig

Wirft man beim neuen Don Giovanni vorab einen Blick ins Programmheft, so wird man beim Lesen des Einführungstextes erst neugierig, dann überrascht, schließlich sogar verärgert. Richard Eckstein ist voll des Lobes für die Regiearbeit von Pier Luigi Pizzi, die er gleich mal mit der legendären Walküren-Interpretation von Patrice Chereau vergleicht. Mag man solches noch als geschicktes Marketing belächeln, sind die Vorschriften, die er den Käufern macht, wirklich dreist: „Offenheit und Staunen-Können sind also gefordert.“ Mit anderen Worten: Wenn es einem nicht gefällt, ist man selber schuld. Eckstein selber hat dafür auch noch andere Bezeichnungen parat: „Man muss schon sehr zart besaitet oder naiv oder extrem altbacken sein, um eine solche szenische Verdeutlichung einer Mozart-Arie als Despektierlichkeit misszuverstehen.“ Das bezieht sich übrigens auf die Situation während Leporellos Registerarie, wo sich der Diener Don Giovannis recht eindeutig mit dessen Ex-Frau im Bett räkelt. Ob Donna Elvira während der Auflistung der Liebschaften ihres untreuen Gatten wohl „scharf wird“?

Übrigens ist hier nicht die Rede von irgendeiner provokativen, modernen Regiearbeit, sondern Pizzi inszeniert die Oper in selbst entworfenen klassischen Rokoko-Kostümen. Sein reduziertes Bühnenbild in dunkler Einheitsfarbe mit wenigen Requisiten ist zwar nicht unbedingt schön für die Kamera, aber praktisch und lenkt den Blick nicht von der sehr lebendigen Personenführung ab. Der geht aber das „hoch intensive“, was Eckstein beschreibt, doch ab. Sicher schaut man dieser Aufführung gerne zu, weil Pizzi über weite Strecken schafft, dass die Figuren kommunizieren und Freude am Spiel mit sich bringen. Dazu kommt, dass die Figuren überwiegend klassisch gezeichnet sind. Etwas ungewohnt ist die körperliche Nähe von Don Giovanni und Leporello, die aber auch nie übertrieben dargestellt wird. Doch ein wirklich besonderer Meilenstein in der Diskographie-Geschichte liegt hier nicht vor.

Fünf Jahre hat es gedauert, bis die beim Sferisterio Opera Festival Macerata aufgezeichnete Produktion des Don Giovanni von CMajor auf DVD veröffentlicht wurde. Der Tonqualität hat diese lange Zeit gar nichts genützt. Immer wieder klingen die Frauenstimmen übersteuert, die Herren dumpf und im Gesamtbild auch noch recht hallig. Das ist bedauerlich, da ein recht gutes musikalisches Ergebnis dadurch empfindlich getrübt wird. So kann man schlecht beurteilen, ob der etwas spröde Klang des Fondazione Orchestra Regionale delle Marche an der Tonqualität oder am Klangkörper selber liegt, dem zuweilen auch die Präzision abhanden kommt. Doch es folgt den Vorgaben Riccardo Frizza mit Energie. Frizza scheut überflüssige Extreme, sondern setzt auf Transparenz und federnden Rhythmus. Viele kleine Akzente sorgen dafür, dass die Musik nicht nur einfach abgespult wird, sondern lebendig interpretiert wird. Auch für die Sänger ist diese Interpretation sehr angenehm. Geboten wird kein Starkult, sondern ein zusammen harmonisierendes Ensemble. Die Fans von Ildebrando D’Arcangelo dürften sich über diese Veröffentlichung am meisten freuen, denn der Italiener mit bronzenem Bass macht als ewiger Verführer in jeder Hinsicht eine gute Figur und führt ganz souverän das Ensemble an. Myrto Papatanasiu bringt besonders die lyrische Seite der Donna Anna schön zur Geltung. Auch Marlin Miller ist als Don Ottavio ihr darin nicht unähnlich, klingt aber stellenweise etwas körperlos. Carmela Remigios Donna Elvira lebt eindeutig von ihrer Fähigkeit, Emotionen zu transportieren. Andreas Concettis etwas raubeiniger Leporello punktet mit Spielwitz und Buffo-Schalk. Manuela Bisceglie und William Corrò treten als glaubhaftes, geprüftes Ehepaar Zerlina und Masetto in Erscheinung. Enrico Iori sorgt mit sonorem Bass als Commendatore für das Ende des Libertin.

Ob diese Veröffentlichung auf dem Markt wirklich notwendig ist, sei trotz ihrer Meriten dahin gestellt. Zu umfangreich ist mittlerweile der Katalog, wo man technisch durchaus hochwertigere Produkte findet. Außerdem bietet die DVD auch keinerlei Extras, sondern im schmalen Begleitheft nur diesen leicht fragwürdigen Einführungstext. Kein gutes Marketing.

Christoph Broermann

Fotos: Alfredo Tabocchini