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 DVD-Besprechung

A History of Dance on Screen

15.3.2014

 

 

 

Points of Honor                      

Musik

Tanz

Choreografie

Bühne

Publikum

Kamera

Ton

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Cover

 

 

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Ein Kompendium zum Gucken, nicht zum Blättern

Mit der Geschichte des Tanzes könnte man viele Buchseiten füllen. Eine so alte Kunstform mit so vielen verschiedenen Ausprägungen und komplexen Verstrickungen, wie der Tanz, hat viele Gesichter und Geschichten zu bieten. Der Filmemacher Reiner E. Moritz hat mit A History of Dance on Screen seine Version einer Tanzgeschichte verfilmt. Die nun erschiene DVD in englischer Sprache bietet nur noch deutschen und französischen Untertitel als Zusatzoption an. Das kann man jedoch verschmerzen, sind doch die vielen Tanzsequenzen ohne jegliches Sprachverständnis zu verstehen.

Moritz hat für diese Dokumentation in den vielen Archiven recherchiert, die das kostbare Erbe seltener Tanzaufnahmen verwalten. Einige zentrale Aufnahmen von Tanzereignissen sind somit auf dieser DVD zu entdecken: Einen nachkolorierten Serpentine Danse, gefilmt von den Brüdern Lumiere, oder einen Ausschnitt aus Appalachian Spring von Martha Graham. Einige wichtige Vertreter der Tanzwelt kommen bei ihm ebenso zu Wort und stellen Zusammenhänge zwischen Tänzern und Choreographen her. So entsteht ein durchaus unterhaltsames Wechselspiel von Tanzsequenzen und Interviewsituationen. Der Zuschauer erfährt, dass Stars der Ballettszene, wie Tamara Karsavina, ebenfalls in Aktion zu sehen, in den 1920 Jahren sehr hoch im Kurs standen. Die damaligen Tänzerinnen unter heutigen Bedingungen aber kaum ein Engagement erhalten hätten. Die vor allem im englischsprachigen Raum für ihre Verbindung von Tanz und Bewegtbild bekannten Balletboyz erläutern, dass Tänzer heutzutage vor allem unter physischen Aspekten ausgewählt werden. Ein athletischer Körperbau steht höher im Kurs, als die künstlerische Eignung oder der kreative Charakter des Individuums.

So springt diese Dokumentation zwischen historischer Chronologie und Wissenswertem rund um die Welt des Tanzes herum. Gespickt mit zahllosen Tanzaufnahmen von Größen der Tanzwelt, wie Alvin Ailey, Pina Bausch, Maurice Béjart, Roland Petit und vielen mehr. Hier erfährt der Zuschauer auch, welche Großereignisse der Tanzgeschichte leider nicht verfilmt wurden, wie Nijinskis skandalumwitterte Premiere von Le Sacre du Printemps. Die O-Ton Geber dieser Dokumentation sind die Geschichtenerzähler, die Bild und Historie in einen logischen Zusammenhang bringen. Moritz konnte hierfür wichtige Vertreter der Szene vor die Kamera bringen, wie John Neumeier, Yury Fateev, Matthew Bourne oder Valery Gergiev. Allesamt berichten Wissenswertes und zeigen Zusammenhänge auf. Doch leider werden diese unverzichtbaren Protagonisten der Dokumentation unzureichend eingeführt. Eine kurze Einblendung des Namens wird nur Eingeweihten die Wichtigkeit der Persönlichkeit ersichtlich machen. Besonders die Kommentare des britischen Tanzkritikers Clement Crisp und die grandiosen Aussagen von Bob Lockyer machen diese Dokumentation jedoch sehenswert. Doch wenn der Zuschauer schlicht nicht weiß, dass Lockyer Jahrzehntelang Pionierarbeit für das Tanzprogramm bei der BBC leistete, dann ist es schwer nachzuvollziehen, weshalb die Aussagen dieses Protagonisten so wichtig sind.

Auch der Titel der DVD lässt einen etwas anderen Schwerpunkt der Dokumentation erwarten: Die Geschichte des Tanzes auf dem Bildschirm stellt sich komplexer dar, als hier präsentiert. Laut beiliegendem Booklet geht es in der vorliegenden Dokumentation aber um die Begeisterung für das Schöpferische. Wie die Autoren des Booklets dann darauf kommen, A History of Dance on Screen mit Tanz in den Medien recht frei zu übersetzen, damit wird der Zuschauer ebenso allein gelassen.

Jasmina Schebesta

 

Fotos: Hugo Glendinning, Laurent Philippe, Arthaus