Fundus    Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

 DVD-Besprechung

Les Contes d'Hoffmann

2.6.2014

 

 

Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Kamera

Ton

Chat-Faktor


Cover

 

 

zurück       Leserbrief

Kaleidoskop des Wahnsinns

Offenbachs Oper Les Contes d’Hoffmann ist ja immer eine Art Überraschungsei. Die diversen Fassungen, die von dieser Oper existieren, bringen immer noch Umstellungen und vor allem neue Höreindrücke mit sich. Die nun bei Erato erschienene Aufführung aus dem Gran Teatre del Liceu ist dafür ein großartiges Beispiel. Der Aufführung liegt die kritische Neufassung der Partitur von Michael Kaye und Jean-Christoph Keck zugrunde. Einerseits ist das ein Gewinn, weil die Handlung eine etwas andere Entwicklung nimmt als gewohnt. Giulettas Tod durch einen Degen im Venedig-Akt ist da nur ein Beispiel. Andererseits muss man auch auf liebgewonnene Ohrwürmer wie Daperuttos Arie Scintille Diamant und das große Sextett im gleichen Bild verzichten. Wenig Sorgfalt hat Erato der DVD zukommen lassen: Ein etwas dumpfer Klang vermag nicht durchweg zu überzeugen und auch die Kameraführung schwangt zwischen intelligenter Verfolgung und langweiligen Nahaufnahmen. Keine Extras und der lieblose Begleitzettel (!) demonstrieren Lustlosigkeit. Ärgerlicher freilich sind die fehlerreichen Untertitel, die einem Sätze bescheren wie: „ Ich werden jemanden töten.“

Düster geht es zu in der Regiearbeit von Laurent Pelly, der das unheimliche Element der Geschichten Hoffmanns unterstreicht. Chantal Thomas baut ihm dafür ein Kaleidoskop an schwarz-grauen Räumen, das sich ständig verschiebt und dreht, neue Blickwinkel eröffnet und die Episoden nie ganz greifbar erscheinen lässt. Die Bühnentechnik läuft reibungslauf auf Hochtouren. Überzeugend ist Pellys Personenführung, der stets ein Hauch von Wahnsinn beiwohnt. Dieser Hoffmann balanciert ganz geschickt auf der Grenze zu einem surrealen Albtraum, ohne eine gewisse Werktreue aus dem Blick zu verlieren. Das beeindruckende Spiel mit Licht und Schatten trägt nicht wenig zu der Atmosphäre bei, wobei Pelly ganz auf die Beleuchtung von Joel Adam bauen kann. Dazu passend sind die überwiegend dunklen Kostüme von Pelly und Jean-Jacques Delmotte, denen aber das gewisse Etwas abgeht.

Bei den Sängern ist es vor allem Laurent Naouri, der mit schwarz lackierten Fingernägeln, düsterer Mimik und unheimlich guter Stimme die vier Bösewichter entstehen lässt. Hinter ihm bleiben seine Kollegen mehr oder weniger zurück. Eine sehr gute Studie der Doppelrolle Nicklausse und Muse liefert Michèle Losier ab. Michael Spyres wirft sich in die Rolle des Hoffmann mit Haut und Haaren hinein, kann aber nicht verheimlichen, dass es technische Schwierigkeiten mit der Partie gibt. Beeindruckende Koloraturen liefert Kathleen Kim ab, die als Olympia auf einem Kranarm durch die Luft zu fliegen scheint. Die anderen drei Frauen Hoffmanns haben mehr Schwierigkeiten: Natalie Dessay, früher eine fantastische Olympia, singt hier eine fragile Antonia, die zu deutlich an ihre lyrischen Grenzen stößt. Tatjana Pavlovskaya bleibt der Giulietta einiges an Verführung schuldig. Auch Susana Gordan kann Hoffmanns Faszination für die Sängerin Stella nicht durchweg verständlich machen. Aus den zahlreichen Nebenrollen ragen Francisco Vas in den Rollen der vier Diener sowie Carlos Chausson als Crespel hervor.

Der von José Luis Basso einstudierte Chor klingt zuweilen etwas gezügelt in der Leidenschaft, singt aber sehr gepflegt. In einem bewegenden Piano gelingt ihm der Schlusschor der Oper. Stéphane Denève und das Symphonie Orchestra des Teatre del Liceu überzeugen durch ein nuanciertes, farbenreiches Spiel, das aber die Spannung nicht durch jede Nummer halten kann. Da flacht die Suggestivkraft von Offenbachs Musik stellenweise unvermittelt ab, um sich dann zum nächsten Höhepunkt wieder aufzubauen.

Dank einer Fassung, die nicht allzu häufig zu erleben ist, und der Inszenierung von Laurent Pelly ist diese DVD durchaus sehenswert. In der musikalischen Umsetzung gibt es sicherlich Alternativen.

Christoph Broermann

Fotos: Antoni Bofill