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 DVD-Besprechung

Le Comte Ory

7.3.2014

 

 

Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Kamera

Ton

Chat-Faktor


Cover

 

 

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In bester Spiellaune

Rossinis Comte Ory klingt ja verdächtig nach Karneval und/oder Pubertät. Ein junger Ritterssohn, Graf Ory, verkleidet sich erst als Eremit und später als Nonne, um seiner angebeteten Frau, der Gräfin Adèle, nahe zu sein. Dass Rossini dazu noch Orys Pagen und Liebeskonkurrenten Isolier als Hosenrolle, also für einen Mezzosopran komponiert hat, macht die Sache nicht einfacher. Die Inszenierung von Lluis Pasqual setzt genau an diesem Punkt der Travestie an. Er inszeniert nicht einfach die Oper Le Comte Ory, sondern verlegt sie in das Grand Hotel Rossini im Zeitalter der Belle Epoche. Für den Abend, so ist in italienischer Sprache auf den roten, durchscheinenden Vorhang projiziert, ist dort im Salon ein Gesellschaftsspiel rund um die mittelalterliche Sage über den Grafen Ory geplant. Ein Gesellschaftsspiel mit erotischen Anklängen, werden doch die Anwesenden mit verbundenen Augen gemischt. Bald kristallisieren sich die Hauptfiguren heraus. Mit neuer Identität ausgestattet, spielt man miteinander. So schlüpft eine junge Frau in die Rolle des Pagen Isolier, um ebenfalls um die Gunst der Gräfin zu buhlen und schon ist die Hosenrolle interpretiert.

Für die Aufführung beim Rossini Opera Festival 2009 in Pesaro hat Lluis Pasqual nicht nur die Inszenierung besorgt, sondern auch Bühnenbild und Kostüme. Die Kostüme sind in vorwiegend schöner Abendgarderobe optisch recht schön ausgefallen, ohne dass diese von besonderer Kreativität zeugen. In den Versatzstücken, mit denen die „Rollen“ ausgestattet werden, blitzt oftmals auch der Hauch von Varieté auf. Ebenso auch im Bühnenbild, das mehr Theateratmosphäre ausstrahlt, als ein Hotelsalon zu sein. Stühle und Billardtisch helfen da nicht viel.

Doch das Gesamtergebnis ist stimmig, weil in diesem Ambiente Rossinins komponiertes Spannungsfeld zwischen Komik und angedeuteter Erotik recht gut ausgespielt werden kann. Im leicht frivolen Terzett des zweiten Aktes, wo der als Nonne verkleidete Ory mit dem als Frau verkleideten Pagen vor den Augen der Gräfin flirtet, geht der Grundgedanke der Inszenierung auf. Natürlich überwiegt das heitere Amüsement, wenn man sich in den Ensemble rhythmisch wippend zur Musik bewegt.

Und es lässt sich sehr gut wippen, weil Paolo Carignani genau die Trumpfkarte der schwungvollen Musik ausspielt. Ohne die Geschwindigkeit zu übertreiben, besitzt seine Interpretation den richtigen Drive, aber gleichzeitig auch den richtigen französischen Charme. Am Orchester des Teatro Comunale di Bologna erfreuen sich die Ohren, weil Rossinis Musik in ihrer Mechanik funkelt und glänzt. Dank dieser Unterstützung sitzt das Ensemble ganz unverkrampft und sicher im Sattel der Koloraturen und Parlandokaskaden. Beeindruckend ist auch, dass sich man sich in dem Solistenquintett nicht auf einem Star ausruht, sondern eine homogene Gemeinschaft ohne Allüren, dafür aber mit Klasse auffährt. Da mag Maria José Moreno vielleicht etwas die gewissse Extra-Portion Bravour für die Comtesse Adèle fehlen. Ihr Koloraturjubel klingt dafür umso authentischer und persönlicher. Yijie Shi hat die passende schlanke Erscheinung samt Stimme für den Comte Ory, wirkt mimisch etwas verkrampfter, als sein fröhlich aufgeladener Gesang es vermuten lässt. Laura Polverelli mischt ihren schön feminin-runden Mezzo mit dem Spiel des gespielten Burschikosen. Robert de Candida bringt beste Buffo-Spiellaune für den Raimbaud mit, der hier der Spieldirektor ist. Lorenzo Regazzos Mimik ist fast zu übertrieben-groß für die Kamera, von seinem saftigen, agilen Bass in der Rolle des Erziehers kann man nicht genug bekommen. Natalia Gavrilan und Rinnat Moriah sekundieren erfolgreich als Dame Ragonde und Alice. Auch vom Prager Kammerchor, der als beobachtende Gesellschaft eingesetzt wird, kommen schöne Töne und gute Laune. Lubomir Mátl hat ihn einstudiert. Angesichts dieser Aufführung fällt der Applaus doch etwas lahm aus.

Auch die DVD an sich überzeugt. Eine leicht verspielte, aber nie unruhige Kameraführung fängt die Inszenierung klug ein. Der Ton macht das Gleiche für die musikalische Wiedergabe. Dazu kommt noch ein Making Off der Aufführung, so dass man schöne Einblicke von der Projektentwicklung hinter der Bühne bekommt. Da der Comte Ory bislang noch auf dem Medium DVD recht selten vertreten ist, hat Arthaus Musik eine gute Alternative auf dem Markt gebracht.

Christoph Broermann

Fotos: Studio Amati Bacciardi