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 DVD-Besprechung

Sergiu Celibidache - Firebrand and Philosopher

7.1.2014

 

 

Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Kamera

Ton

Chat-Faktor


Cover

 

 

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Gutmensch und Diktator

Er war einer der ganz großen, wenn nicht der größte Dirigent aller Zeiten. Sein Lehrer Heinz Tiessen notierte im Dezember 1944 seine Lieblingsdirigenten: „Celibidache, Furtwängler, früher Strauss und Nikisch“. In dieser Reihenfolge. Da war Sergiu Celibidache 32 Jahre alt. 1912 wurde er im moldawischen Roman geboren. In der Schule erwies er sich als Überflieger, und sein Vater, Offizier und Distrikt-Präfekt, sah ihn bereits in der höheren politischen Laufbahn, wenn nicht gleich als zukünftigen rumänischen Staatspräsidenten. Sergiu entschied sich für die Musik und beendete damit die Beziehung zu seinem Vater auf dessen Wunsch lebenslänglich. So etwas macht hart. Und so wurde möglicherweise in jungen Jahren die Radikalität seines Lebens angelegt.

Sergiu Celibidache – Firebrand and Philosopher heißt die DVD, die Arthaus Ende vergangenen Jahres veröffentlicht hat. Es ist ein Porträt von Norbert Busé in knapp einer Stunde, erstellt im Auftrag des Zweiten Deutschen Fernsehens. Zwar ist die Frage durchaus berechtigt, warum der Titel der DVD unbedingt englisch sein muss, andererseits ist der Begriff Firebrand ein echter Treffer, der im Deutschen keine rechte Entsprechung finden will. Weder Hitzkopf noch Aufwiegler war der radikale, hochintelligente Dirigent und Lehrer, sondern einer, der die Herzen seiner Hörer in Brand steckte. „Celibidaches musikalischer Zugang weicht von Bekanntem völlig ab. Er lebt intensiv in der Musik. Er ist souverän, was seine Schlagtechnik betrifft. Um etwas hervorzuheben, lässt er sich zu einem kräftigen Schlagen der Schuhabsätze hinreißen oder singt laut mit. Das Orchester gerät mit ihm in die gleiche Ekstase, und auch der Zuhörer unterliegt der suggestiven Kraft und erlebt die Musik besonders stark: für den Verfasser war Celibidache das bisher größte Musikerlebnis“, schrieb 1964 der Komponist Pehr Hendrik Nordgren.

Eben diese Begeisterung vermittelt der Film über den Maestro. Zuvörderst bietet der Film wenig Überraschungen. Zeitzeugen, Musikeinspielungen und Zwischenmoderationen versuchen, ein Bild des Musikers zu zeichnen. Dass dieses Bild verklärt, ist das große Manko, dass das Feature Szenen enthält, in denen der Meister im Kreise seiner Studenten zu erleben ist, macht daraus etwas ganz Besonderes. „Sie haben ein bisschen Technik gelernt, und damit kann man Konzerte dirigieren. Ob das auch Musik sein wird, ist schwer zu sagen“, urteilt ein höchst resignativer Celibidache über seine Versuche, jungen Menschen das wahrhafte Wesen der Musik beizubringen. Zeitzeugen wie Sohn Serge Ioan Celebidache, Daniel Barenboim, der Musikwissenschaftler Patrick Lang oder Journalist Christoph Schlüren, allesamt große Bewunderer des Ausnahmemusikers, schwelgen in Erinnerungen. Weisen auf die unglaublichen Erfolge des Dirigenten hin, äußern sich über die Arbeitsintensität des asketischen Workaholics, der aus Studenten-Orchestern gleichermaßen wie aus den Münchener Philharmonikern Klangkörper von größter Exzellenz schaffen konnte. Dass er ein Gutmensch war, einer, der seine Studenten finanziell unterstützte, Unterricht kostenlos erteilte, erfährt der Zuschauer selbstverständlich. Im Abgang gibt es dann auch noch die Bilder der Enkel am Grab des Außergewöhnlichen.

Mit eisernem Besen fegte er auch, seine Beziehungen zu den Orchestern waren heftig und intensiv, endeten aber oft mit Ablehnung; Schallplattenaufnahmen lehnte er sturköpfig ab, sein Sohn treibt die Vermarktung nun kräftig voran – entgegen der inneren Überzeugung seines Vaters. Die Mutter seines Sohnes bleibt völlig im Verborgenen. Wie allzu viele andere Fragen ungeklärt bleiben. Eine solche Form der Verherrlichung ist eigentlich seit sieben Jahrzehnten obsolet.

Sergiu Celibidache war ein Radikaler, ein Querkopf, ein Überzeugter. Von solchen Menschen gibt es nicht allzu viele. Und von denen braucht es mehr Porträts. Vorläufig aber müssen wir wohl weiter mit Verherrlichungen leben in einer Welt, die lieber die Oberflächlichkeit als die Klippen, Unschärfen und die wahrhaften Fragen liebt.

Michael S. Zerban

Fotos: Privatarchiv/Suzanne Maeder