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 DVD-Besprechung

Peter Grimes on Aldeburgh Beach

7.1.2014

 

 

Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Kamera

Ton

Chat-Faktor


Cover

 

 

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Kampf der Elemente

Peter Grimes ist eine von Brittens meistgespieltesten Opern. Uraufgeführt 1945 im Sadler‘s Wells Theatre in London, war das Drama um den Außenseiter und unglückseligen Fischer Peter Grimes mit seinen verunglückten Fischerjungen ein großer Erfolg.

Das zu Lebzeiten vom Komponisten und seinem Lebensgefährten Peter Pears ins Leben gerufene Aldeburgh-Festival hat zum 100. Geburtstag des Komponisten ein Novum auf die Beine gestellt: Die Oper wird live am Strand von Aldeburgh aufgeführt unter der Regie von Tim Albery. Leslie Travers entwirft eine aufwändige Bühne direkt im Kies am Meer. Eine zerklüftete Strandpromenade mit aufgerichteten Booten und verschachtelten Holzgerüsten soll die Innenwelt des Protagonisten widerspiegeln. Die Gezeiten rauschen durch die Inszenierung und lassen für das Publikum Brittens Inspirationsquelle für die Oper aufleben. Ein sicher eindrückliches Erlebnis, das nahe legt, die Inszenierung auch filmisch festzuhalten. Unter der Filmregie von Margaret Williams ist so Peter Grimes on Aldeburgh beach entstanden. Und ermöglicht es allen Daheimgebliebenen, das verpasste Live-Erlebnis etwas nachzuspüren.

Das Britten-Pears-Orchestra unter der Leitung von Stuart Bedford ist in der filmischen Umsetzung nicht zu sehen. Aus dem beiliegenden mehrsprachigen Booklet kann man entnehmen, dass die Musik nachträglich zugespielt wurde. Der Chorus of Opera North und der Chorus oft the Guildhall School of Music & Drama, sowie die Solisten sind gut verkabelt, und die Stimmen klingen klar und brillant aus den Lautsprechern. Leider kann die Bildqualität der DVD da nicht mithalten: Laut Booklet wurde zwar mit HD-Kameras gefilmt, doch das auf DVD-Format herunterkomprimierte Material wirkt pixelig und verwaschen. Für Besitzer von aktuellen HD Fernsehern wäre die Blu-Ray-Ausgabe die bessere Wahl.

Alan Oke bildet nicht nur stimmlich einen überzeugenden Grimes ab. Auch in den Nahaufnahmen verkörpert er eindrücklich den drahtigen Fischer mit Fünf-Tage-Bart, der in den Wahn abrutscht. Giselle Allens lyrischer Sopran in der Partie der Ellen ist auch am Bildschirm fesselnd. Besonders in der Szene, in der sie über ein Kleidungsstück des letzten Bootsjungen ins Philosophieren kommt, vereint sie stimmliche Zartheit mit schauspielerischer Überzeugungskraft vor der Kamera.

Wenn sich das Auge erst einmal an die Flut der vielen Informationen gewöhnt hat, dann ist diese Opernverfilmung wirklich fesselnd. Einzig die Zeitraffer-Aufnahmen von Wolken und Wellen wirken etwas sehr gewollt. Gerade wenn sie genutzt werden, um einen nahenden Sturm zu verbildlichen. Da ist das gewählte Mittel in der Totalen noch praktikabel, enttarnt sich aber als inkonsequente Spielerei, wenn in Nahaufnahmen strahlender Sonnenschein die Darsteller begleitet. Die vom ortsansässigen Kameramann John Walker aufgenommenen Naturimpressionen als Bebilderung der Sea Interludes sind schön und geschmackvoll. Das Gezerre von Bild, Ton, Gesang und Schauspielerei um die Aufmerksamkeit des Zuschauers nimmt mit Einsetzen der Dämmerung ab. Das Meer verschwindet gänzlich in der Dunkelheit, und das gut gesetzte Licht von Lucy Carter entfaltet seine volle Kraft, wenn es hinter dem auf die Seite gekippten Schiffsrumpf beinahe apokalyptisch in die Nacht hinein leuchtet. Mit der einsetzenden Dunkelheit und voranschreitender Dramatik der Handlung kann es dann wirklich passieren, dass der Zuschauer vergisst, dass es sich hier eigentlich um die Aufzeichnung einer Bühneninszenierung handelt. Das ist eine großartige Leistung, in Zeiten, in denen eine Opernverfilmung auf DVD einen kleinen Markt bedient und es eigentlich klar ist, dass man Musik nur bedingt im linearen Medium visualisieren kann.

Jasmina Schebesta

Fotos: Robert Workman