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 DVD-Besprechung

Aida

22.11.2013

 

 

Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Kamera

Ton

Chat-Faktor


Cover

 

 

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Neue Seherfahrung

Opus arte hat eine Aida veröffentlicht, die es in sich hat. Eine Zukunftsvision möglicherweise? Die technische Entwicklung schreitet in Meilenschritten voran. Während wir uns noch über DVD Gedanken machen, ist die BluRay-Disc längst auf dem Vormarsch. Aber, geht man nach den Vorstellungen der Technik-Freaks, ist auch dieses Medium nur noch die Hälfte. Die Hälfte deshalb, weil es die Grundlage für einen weiteren Entwicklungsschritt bietet: Die 3D-Darstellung. Längst sind die Läden voll von Fernsehern, die die Wiedergabe von dreidimensionalen Filmen ermöglichen. Davor Brillen, die längst nicht mehr auf dem Stand der Technik sind. Inzwischen gibt es Brillen, die mit dem Monitor synchronisiert werden können. Trotzdem: Brillen sind notwendig, um die Dreidimensionalität „genießen“ zu können. Und keiner weiß, ob eine solche Entwicklung in die richtige Richtung geht. Denn inzwischen erreicht das so genannte High-Definition-Fernsehen, in der neuesten Entwicklung des vierfach verbesserten High-Definition-Fernsehens, das als HD 4K in der Werbung auftaucht, eine plastische Darstellung, die kaum noch Unterschiede zur dreidimensionalen Abbildung bietet. Vorläufig aber ist 3D noch ein Thema.

Jetzt stellt Opus arte eine Bluray vor, die Aida neben der „normalen“ Darstellung auch als 3D anbietet. Wenn der Anbieter nicht kleckert, warum sollte der Betrachter nicht klotzen? Also schauen wir uns die Oper auf einer Leinwand über einen Beamer an, in Begleitung eines 17-Jährigen, für den die Technik längst Standard ist. Als zusätzliche Brillen stehen synchronisierende Brillen zur Verfügung. Ohne diese Brillen sehen wir nur verschwommene Bilder, ohne die eigene Brille ebenfalls. Daneben, sagt Lennart, der 17-Jährige, der sich mit dieser Technik auskennt, stellt sich mit der Zeit ein unangenehmes Gefühl beim Tragen der Brillen und eine Gewöhnung ein, die den 3D-Effekt abstellt.

Die technische Innovation steht im Vordergrund. Die Plastizität beeindruckt zunächst als neues Erlebnis. Da werden in der Arena von Verona die Zuschauer gezeigt, die ihre Plätze einnehmen. Gezeigt wird – eine Petitesse – die Inszenierung von 1913. Historische Kostüme in einer historischen Kulisse. Nichts Ungewöhnliches. In den letzten 100 Jahren hat sich in der Aufführungspraxis in Italien nichts Wesentliches geändert. Menschen stehen in historischen Kostümen an der Rampe und singen. Während eines Dialogs steht er am Bühnenrand und singt zum Publikum, während sie ihn bedeutungsschwanger von der Seite ansieht. Zwischendurch Auf- und Abgang der Chöre. Allerdings sind in Verona die Wege auch so lang, dass Regisseur Gianfranco de Bosio kaum Handlungsfreiräume hat, will er die zeitlichen Zusammenhänge zur Musik nur halbwegs aufrechterhalten.

Bei solch vorhersehbarer Handlung ist die Kameraführung von Tiziano Mancini umso unverständlicher. Wirklich eindrucksvoll sind in der dreidimensionalen Abbildung die Großaufnahmen. Aber es fehlt völlig der Blick für das Motiv. Wo man sich einen Blick aufs große Ganze wünscht, bekommt der Zuschauer die Nahaufnahme. Umgekehrt verfährt die Kamera, wenn eigentlich eine Nahaufnahme der handelnden Personen gewünscht wäre. Immerhin sind die kuriosen Auftritte des Männerballetts hautnah eingefangen. Hier verpufft viel Wirkung der mehrdimensionalen Bilder.

Desaströs wird es bei der Klangwiedergabe. Der Lautstärkenregler ist nahezu voll aufgedreht, um die Chöre hören zu können – und er muss in manch arioser Passage schnell genug wieder herunter gedreht werden, um nicht „zugedröhnt“ zu werden. Technik-Freund Lennart ist vollauf mit der Lautstärkenregulierung beschäftigt.

Schließlich ist es geschafft. Ganz plastisch verabschieden sich Sängerdarsteller und Dirigent Daniel Oren vom Publikum. Lennart atmet durch. Dieser 3D-Film ist nicht seins. Aber, gibt er zu, der Versuch ist aller Ehren wert. Opernfan ist er nicht geworden. Experimentierfreudigen Opernfans aber sei diese 3D-Bluray-Disc empfohlen, weil sie das derzeit Machbare zeigt und es – bis jetzt – nichts Vergleichbares auf dem Markt gibt.

Michael S. Zerban

Fotos: Ennevi