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Buchbesprechung

Verachtet mir die Meister nicht - Das Handwerk auf der Opernbühne


Autor



Geboren 1978 in Görlitz, ist Heiko Schon seit 1997 für das Land Berlin tätig - bis 1998 im Bereich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und 2001 als Vertriebsmitarbeiter an der Deutschen Oper Berlin. Als Verfasser von kulturellen Beiträgen bei verschiedenen Stadtmagazinen kam er 2013 als freier Autor zur Verlagsanstalt Handwerk.


Kaufinformationen

Heiko Schon: Verachtet mir die Meister nicht. Das Handwerk auf der Opernbühne

Verlagsanstalt Handwerk

ISBN 978-3-86950-299-1

Leineneinband, 228 Seiten, 20 Euro


Points of Honor                      

Buchidee

Stil

Erkenntnis

Preis/Leistung

Verarbeitung

Chat-Faktor


 

 

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Handwerker auf der Bühne

Wie viele Handwerker sind auf einer Bühne notwendig, um die Aufführung einer Oper erfolgreich zu gestalten? Das hängt, so wird mancher überrascht hören, vom gezeigten Werk ab. Das Publikum geht selbstverständlich davon aus, im Verlaufe eines Opernabends möglichst keinen Bühnenarbeiter, also gestandene Handwerker, auf der Bühne zu sehen. Was aber, wenn der Schuster Hans Sachs bei den Meistersingern fehlte, wenn der florentinische Bildhauer und Goldschmied Cellini in Hector Berlioz‘ Benvenuto Cellini nicht nach Rom gekommen oder gar die Näherin Mimi nicht in der Künstler-WG von Puccinis La Bohème aufgetaucht wäre?

Eine interessante Frage, die Heiko Schon auf seine Weise beantwortet hat: mit einem Opernführer. Verachtet mir die Meister nicht – Das Handwerk auf der Opernbühne beleuchtet auf mehr als 200 Seiten die Auftritte von Handwerkern in Opern. „Die Wahrheit ist: Ohne das Handwerk wäre die Oper aufgeschmissen!“ ruft Schon in der Einleitung aus. Recht hat er und belegt das nach einer bewundernswert akribischen Recherche anhand zahlreicher Werke, die er, mal augenfällig wie bei den Meistersingern, mal „investigativ“ wie beim Maschinisten Hopkins, der ersten deutschen Fabrikoper von Max Brand, die heute nicht mehr aufgeführt wird, vorstellt.

Schon nach den ersten Zeilen wird klar, dass sich hier jemand sehr von Loriots Kleinem Opernführer hat inspirieren lassen – und über das Ziel hinaus geschossen ist. „Wenn Regisseur Hans Neuenfels auf der Bühne mit silbernen Hoden klimpern lässt, dann klingen die Glocken tatsächlich nie süßer als in Wolferls unverwüstlicher Zauberflöte“, lässt der Autor verlauten und versucht damit, einen Humor zu erreichen, der einzigartig ist und – wie wir nun wissen – bleibt. Über Zoten wie „Nein, das Werk Der Glockenturm handelt nicht von Lola Ferrari“ darf man getrost hinweglesen. Stattdessen gibt es interessante Informationen im ersten Teil der einzelnen Kapitel, wenn Schon über die Arbeit im Theater berichtet, oder in den Randbemerkungen „hinter der Bühne“, die auch für Operngänger neu sein könnten, wie etwa die Erläuterungen zur Glasharmonika. Die Zuordnung weiterer Opern zum Gewerk, über das der Autor gerade spricht, zeigt – sicher ungewollt kritisch – wie viele Werke der Opernliteratur im Verborgenen lauern, die einem Mainstream zum Opfer fallen, der keiner Kultur dieser Welt auf Dauer nutzen kann.

Das Werk auf einen Wurf zu lesen, ist sicher der flapsigen Ausdrucksweise zu viel. Und wer liest schon einen Opernführer an einem Stück? Die Vorstellung allerdings, man lese am Sonntagnachmittag mal die eine oder andere Oper nach – von der man vielleicht sogar noch nie gehört hat – ruft dann doch Vergnügen hervor. Erleichtert wird das durch ein Opern- und ein Personenregister am Ende des Buches. Hier ist auch die gezielte Vorbereitung auf den nächsten Opernbesuch, bei dem man im Pausen-Small-Talk mit Anekdötchen glänzen möchte, sicher eine zwingende Notwendigkeit, sich dieses Buch anzuschaffen.

Handwerklich übrigens ist das Buch sauber gemacht. Fester Leineneinband mit Reliefdruck – da kommt schon Freude auf. Und wer es mondän mag, bestellt das Buch mit Ledereinband und Goldprägung, und dann gibt es möglicherweise auch ein Kapitelband. Bedauerlich, dass der Verlag diese Variante nicht auf seiner Internetseite anbietet.

Es gibt viele Opernführer auf dem Markt. Heiko Schon immerhin hat nicht nur einen interessanten Blickwinkel gefunden, sondern auch mit Fleiß viele Opern entdeckt, deren Namen selbst zahlreichen Intendanten Neuland sein dürften. Eine Fundgrube, die Spaß macht. Nicht nur für Opernneulinge.

Michael S. Zerban, 14.12.2014