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Buchbesprechung

Hohe Kultur -Flache Debatten - Eine Streitschrift


Petra Roth (Hrsg.)



Petra Roth, geboren am 9.5.1944, entstammt einer Bremer Kaufmannsfamilie. Nachdem sie das Gymnasium mit der Mittleren Reife verließ, absolvierte sie eine Ausbildung zur Arzthelferin. Nach ihrem Umzug nach Frankfurt war sie dort von 1995 bis 2012 Oberbürgermeisterin. Wiederholt war sie Präsidentin des Deutschen Städtetages.


Kaufinformationen

Petra Roth (Hrsg.): Hohe Kultur - flache Debatten. Eine Streitschrift

Henschel Verlag

ISBN 978-3-89487-750-7

Klappenbroschur, 128 Seiten, 17 Euro


Points of Honor                      

Buchidee

Stil

Erkenntnis

Preis/Leistung

Verarbeitung

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Thema verfehlt

Was ist eine Streitschrift? Petra Roth, ehemalige, langjährige Oberbürgermeisterin der Stadt Frankfurt am Main, nennt das Buch mit dem vielversprechenden Titel Hohe Kultur – flache Debatten so, dass sie im Henschel Verlag herausgegeben hat. Demnach ist eine Streitschrift in erster Linie eine Lobhudelei. Um die nicht in der Ich-Form zu verfassen, lässt Roth zwei ehemalige Mitarbeiter zu Wort kommen. Das ist schnell durchschaut, und deshalb verliert das Buch an Glaubwürdigkeit.

Unabhängig von dem, was Bernd Messinger und Patricia Tratnik alles Positives über die Politik von Roth zu sagen haben, bleibt wenig übrig, was eine Streitschrift ausmachen könnte. Interessant die Ausgangssituation, die die Autoren skizzieren: Während in den 50-er Jahren die politische Kultur nur den Blick des deutschen „Ohnemichels“ auf die Gegenwart zuließ und der Kultur- und Zivilisationsabbruch des vergangenen Jahrzehnts „kommunikativ beschwiegen“ wurde, ordneten die späten 60-er Jahre plötzlich alles – und somit bisweilen auch zu viel – kulturpolitisch und gesellschaftspolitisch ein. Heute richtet sich das kommunikative Beschweigen der Politik auf aktuelle Fragen der politischen Kultur selbst – als kulturpolitische Realitätsverweigerung in Bezug auf das Verhältnis Politik – Kultur – Gesellschaft. Nichts steht mehr in einem Kontext.

Daraus nun könnten sich neue Lösungswege, Alternativen oder Forderungen entwickeln – in einer Streitschrift. Bei Roth et al. gibt es Anekdoten, „Histörchen“ und die Auftritte alter Weggefährten. Das ist nett zu lesen, und dümmer wird man davon nicht. Ein radikales Plädoyer für eine maßlose Kulturpolitik, wie auf dem Einband des Taschenbuchs behauptet, sieht aber anders aus. Dafür stimmt der Nachsatz: ohne jegliche Infarktgefahr sind diese Texte ganz sicher zu rezipieren.

Petra Roth war von 1995 bis 2012 Oberbürgermeisterin von Frankfurt am Main und mehrmals Präsidentin des Deutschen Städtetags. Da verwundert es kaum, dass der Blick auf Kultur sich auf das Phänomen Stadt konzentriert. Um nicht zu sagen, auf Frankfurt fixiert ist. Im Schlusswort heißt es denn auch entschuldigend: Verstehen Sie diese letzten, doch sehr lokal geprägten Sätze als zweierlei: als Liebeserklärung einer seit Jahrzehnten in Frankfurt lebenden Bürgerin an ihre Stadt, aber auch als Verbeugung vor den Kolleginnen und Kollegen in vielen deutschen Gemeinden, denen es trotz erheblich schwierigeren finanziellen Rahmenbedingungen gelingt, der Kultur den ihr gehörigen Rang in der Politik einzuräumen. Da mag die Herausgeberin in Einzelfällen richtig liegen – im Gros ist es ja wohl eher so, dass eine Vielzahl von Kommunen respektive Politikern unter dem Vorwand irgendwelcher Sparzwänge permanente Kürzungen in den Kulturbetrieben ihrer Städte vornehmen. Sonst wären weder Streitschriften noch Debatten nötig.

128 schön geschriebene Seiten, in eine Klappenbroschur gefasst, zu einem doch eher hohen Preis finden ihren Platz vielleicht in den Tourismus-Informationen der Stadt Frankfurt am Main. In den noch bevorstehenden Diskussionen über die Notwendigkeit, Kultur auch institutionalisiert beizubehalten und weiter zu entwickeln, wird das Werk keinen Nachhall finden. Schade, dass der einfallsreiche Titel nun vergeben ist.

Michael S. Zerban, 22.4.2014