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Buchbesprechung

Opera – Spektrum des europäischen Musiktheaters


Projektleiter



Thomas Betzwieser studiert Musikwissenschaft, Germanistik und Philosophie in Heidelberg, wo er 1989 promoviert. Nach seiner Habilitation an der FU Berlin hat er für mehr als ein Jahrzehnt eine Professur an der Universität Bayreuth inne. Heute ist er Professor für Historische Musikwissenschaft an der Goethe-Universität Frankfurt am Main.


Kaufinformationen

Betzwieser, Thomas: Opera - Spektrum des europäischen Musiktheaters in Einzeleditionen, Band 1

Bärenreiter

ISMN 979-0-006-53984-0

Gebunden, 226 Seiten, 340 Euro


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Eine Partitur ist eine Partitur

Der Bärenreiter-Verlag gibt eine neue Reihe mit Partituren unter dem Titel Opera – Spektrum des europäischen Musiktheaters in Einzeleditionen heraus. 21 Werke des europäischen Musiktheaters des 17. bis 20. Jahrhunderts sollen es werden. Darunter auch Kompositionen aus Ballett, Schauspielmusik, Melodram oder Operette. Diese wurden, so ist im Editionsplan zu lesen, „neben der musiktheatergeschichtlichen Bedeutung“ nach der mit dem jeweiligen Werk verbundenen editorischen Problemstellung in sechs Modulen gruppiert. Die Gesamtprojektleitung liegt bei Thomas Betzwieser, Professor für Historische Musikwissenschaft an der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Den Anfang macht das Werk Prima la musica e poi le parole von Antonio Salieri, zu dem Betzwieser auch eine umfassende Einführung verfasst hat. Bis hierhin nichts wirklich Ungewöhnliches.

Auch beim Anblick der wie üblich in Leinen gebundenen Partitur erschließt sich zunächst nicht, dass Bärenreiter mit dieser Edition einen neuen Weg gehen will. Der Verlag spricht von „Hybridausgaben“ und meint damit die Erweiterung der Partitur um einen Datenträger, der hinten im Buch eingelegt ist. Dabei handelt es sich um eine Karte im Scheckkartenformat. Es dauert eine Weile, bis man herausfindet, dass hier ein USB-Stick mehr oder minder geschickt verpackt ist. Wird der USB-Stick mit dem Computer verbunden, installiert er selbstständig eine Software, die es in sich hat. Mit Hilfe dieser Software bekommt man nämlich Zugriff auf die Textedition, den Kritischen Bericht, Digitalisate der relevanten Quellen sowie eine digitale Kopie der Partitur. Die Nutzungsmöglichkeiten der Software erschließen sich nicht von selbst. Das ist nicht zeitgemäß. Allerdings hat der Verlag ja noch 20 Möglichkeiten nachzubessern. Denn das Material, das geboten wird, ist eindrucksvoll.

Gleichwohl wendet Bärenreiter sich mit dieser Edition ausdrücklich an „Wissenschaft, Bühne und Konzert“. Dass ein solch umfangreiches Quellenmaterial in digitaler Form bei Musikwissenschaftlern für Glücksgefühle sorgen dürfte, versteht sich von selbst. Hörbeispiele fehlen vollständig. Ob es für „Bühne und Konzert“, also für Dirigenten, mehr als ein, wie man im Englischen so schön sagt, nice to have ist, wird die Erfahrung zeigen. Auch wenn Dirigenten sich gern zitieren lassen, dass sie tief in die Materie einsteigen, wenn sie ein Werk erschließen, darf doch bezweifelt werden, ob deshalb ein Orchesterleiter Quellen in der angebotenen Fülle aus dem Italien des 18. Jahrhunderts studiert, um Prima la musica e poi le parole zu verstehen.

Bärenreiter respektive Thomas Betzwieser haben mit dieser Edition Neuland beschritten. Das ist aller Ehren wert. Verlag und Projektleiter unternehmen diesen Schritt in vernünftiger Relation. Im ohnehin eher hohen Preisgefüge der Partituren bleibt der Verlag im Mittelfeld. Mitte der 1990-er Jahre hat die Fernsehzeitschrift HörZu Disketten mit dem Fernsehprogramm an ihre Leserinnen und Leser verschickt. Das war damals unglaublich innovativ. Heute steht das lineare Fernsehprogramm kurz davor, Geschichte zu werden. Es wird also spannend sein zu sehen, was sich aus den ersten digitalen Schritten rund um eine Komposition weiter entwickeln wird. Bis dahin gilt: Eine Partitur ist eine Partitur.

Michael S. Zerban, 14.1.2014