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Buchbesprechung

Oper im Weltformat


Autor



Karl Domenic Geissbühler studierte Grafik bei Ernst Keller und Johannes Itten an der Schule für Gestaltung und Kunst in Zürich. Nach der Vertiefung seiner Ausbildung an der Kunsthochschule Berlin wurde er als jüngster Art Director in die Werbeagentur von Rudolf Farner aufgenommen. 1984 machte er sich selbstständig.


Kaufinformationen

K. D. Geissbühler:
Oper im Weltformat

Niggli

ISBN 978-3-7212-0859-7

Hardcover, 384 Seiten, 78 Euro


Points of Honor                      

Buchidee

Stil

Erkenntnis

Preis/Leistung

Verarbeitung

Chat-Faktor


 

 

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Konventionen sind für andere

Und es kam der Tag, da erfanden die Werber das Corporate Design. Und die Welt wurde wieder ein Stück ärmer. Denn bis dahin gab es Karl Domenic Geissbühler. Der studierte Grafiker entwarf von 1976 bis 2012 die Plakate für das Opernhaus in Zürich. Und er scherte sich einen Dreck um Konventionen. Über 500 Plakate sind in dieser Zeit entstanden, jedes einzelne ein Kunstwerk für sich. Immer hoch assioziativ, experimentierfreudig und Perspektiven öffnend. Collagen schaffen Fantasieräume, laden ein, nach Verbindungen zu den angekündigten Stücken zu suchen, die nicht oder nicht immer gleich erkennbar sein müssen. Eine eigene, sich immer wieder neu erfindende Bildsprache entsteht da, die Symmetrieformen gegen Handzeichnungen, Fantasieschriften in kühle Räume stellt. Selten, dass der Schriftzug des Opernhauses sich zwei Mal gleicht. Von Corporate Design weit und breit keine Spur. Stattdessen lädt Kunst zur Kultur ein.

Der schweizerische Verlag Niggli hat in Zusammenarbeit mit Bettina Richter, Kuratorin der Plakatsammlung am Museum für Gestaltung Zürich, eine Auswahl der Poster in einem großen Bildband zusammengetragen. Das schwergewichtige Werk beginnt mit Einblicken in die Werkstätten des Opernhauses und in das Studio des Grafikers in Zürich. Nach einem Geleitwort von Bettina Richter zeigt es Bühnenbilder und Projektionen, die K. D. Geissbühler ebenfalls entworfen hat. Danach finden sich Hunderte von Postern, nach Jahren geordnet und teilweise um die zugehörigen Bühnenbilder ergänzt. Bei allem Faible für visuelle Kommunikation und ihrem Anspruch, sich selbst zu erklären: Ein wenig mehr Text hätte sicher zur besseren Orientierung beigetragen. Immerhin hat man nicht vergessen, sich bei den zahlreichen Sponsoren des Bandes namentlich zu bedanken. Hier drängt sich dann allerdings die Frage auf, wie es bei einer solchen Anzahl potenter Sponsoren noch zum durchaus stolzen Preis von fast 80 Euro kommen kann. Auf den Innenseiten des Bildumschlags finden sich dann doch noch marginale Angaben zum Künstler, seinen Bühnenbildern, Auszeichnungen und Ausstellungen. Damit sind aber auch alle Minuspunkte des qualitativ hochwertig gebundenen Buches mit Vierfarbdrucken in hervorragender Farbtiefe genannt. Dem Werk ist auch eine kleine Broschüre beigelegt. Was von außen auf den ersten Blick aussieht wie eine Liste der Museen von Zürich, entpuppt sich als eine zusätzliche kleine Sammlung von Postern, die Geissbühler für andere Auftraggeber angefertigt hat.

„K. D. Geissbühlers Plakate, die den Blick des Betrachters durch ihre thematische Mehrdeutigkeit nie einengen, sondern öffnen und befreien, werden im Zürcher Stadtbild eine Lücke hinterlassen“, schreibt Richter in ihrem Geleitwort. Es gibt wohl wenige Beispiele in der Geschichte der Plakatkunst, in denen ein Grafiker über einen so langen Zeitraum das äußere Erscheinungsbild einer Institution prägt. 2012 wurde der Auftrag neu ausgeschrieben. Die Ära Geissbühler war zu Ende. Es begann – die Ära Geissbühler. Den Nachfolgeauftrag erhielt das Studio Geissbühler unter künstlerischer Leitung der Tochter Nadine. Die darf nun bis 2015 zeigen, was ein konsequentes Corporate Design ist – der Leser bekommt einen Eindruck davon auf einem dem Werk ebenfalls beigefügten Faltplakat vermittelt und darf seinem Entsetzen freien Lauf lassen. Umso wertvoller wird ihm anschließend der Besitz dieses Bild- oder nein, dieses historischen Bandes erscheinen. Geissbühler beschließt ihn mit dem hoffnungsfrohen Satz „Die Oper ist tot, es lebe die Oper!“ Ob man das mit der gleichen Unbedingtheit von der Grafik behaupten kann, darf indes diskutiert werden.

Michael S. Zerban, 11.9.2013