Archiv     Kommentare     Dossier     Backstage     Kleinanzeigen     Links     Buch/DVD     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
 Partner von DuMont Reiseverlag  
 
     

Buchbesprechung

Karriere mit Hindernissen


Autorin



Hanna von Feilitzsch hat nach einem Politikstudium in München bereits zahlreiche Drehbücher geschrieben (Gerichtsfernsehen) und einige Bücher über die Familie Slezak veröffentlicht (Kochbuch mit lustigen Geschichten/Anekdoten, Biographie von Leo Slezak). Sie ist verheiratet, Mutter von drei Kindern und pendelt zwischen Tegernsee und Obernfranken.


Kaufinformationen

Hanna von Feilitzsch:
Mädchen mit Beziehungen

Feilitzsch-Verlag

ISBN 978-3-930931-04-0

Hardcover, 352 Seiten, 20 Euro


Points of Honor                      

Buchidee

Stil

Erkenntnis

Preis/Leistung

Verarbeitung

Chat-Faktor


 

 

zurück       Leserbrief

Naivchen trifft Superkiller

Nein. Es funktioniert nicht: Sich auf Biegen und Brechen um das eigene Glück zu kümmern, ohne jede Rücksicht auf das, was in der Gesellschaft passiert. Alle Hauruck-Sprüche wie Napoleons „Jeder hat seinen Marschallstab im Tornister“ oder die Annahme, wenn nur jeder sich um sich selbst kümmert, gehe es allen gut, gehen an der Wirklichkeit vorbei. Schon immer. Ein eindrucksvolles Beispiel davon, dass es ohne Solidarität keine Zukunft gibt, erzählt Hanna von Feilitzsch in ihrem Roman Mädchen mit Beziehungen. In ihrem rund 350 Seiten starken Werk lässt sie uns am Leben von Margarete Slezak teilhaben. „Slezak?“ hören wir da die Opernfans fragen. „Das ist doch der Leo, der Tenor“. Ja, der Vater von Margarete war der quirlige Sänger, der auf allen bedeutenden Bühnen der Welt zuhause war. Über diesen Mann hat von Feilitzsch bereits einige Bücher veröffentlicht. Jetzt widmet sie sich der Tochter, die, von den Künsten ihres Vaters fasziniert, selber gegen seinen Willen Sängerin werden will.

„Ich wusste zu Beginn meiner Arbeit nicht, was da an brauner Geschichte auf mich zukommt“, hat die Autorin einer Lokalreporterin in Rottach-Egern berichtet. Und mit dieser Unvoreingenommenheit erzählt sie in einem wunderbar altmodischen Stil das Leben eines zunächst fleißigen und ehrgeizigen Mädchens, das als junge Frau nach ersten Erfolgen einen ehemaligen Postkartenmaler aus Wien kennenlernt – ohne wirklich zu wissen, wer er ist. So jedenfalls stellt es die Baronin dar. Lange gab es kein Buch mehr, das so schön zum Schmökern eingeladen hat. Man fühlt sich an die Geschichten vom Trotzkopf von Emmy von Rhoden erinnert. Aber so einfach ist es im wirklichen Leben eben nicht. Die in Deutschland so erfolgreiche Sängerin Margarete Slezak verstrickt sich in Krisen und die große Politik. Sie ist Künstlerin, und da gelten Konventionen nicht. Glaubt sie wie jeder Künstler. Der frühe Verehrer entwickelt sich zum „Führer“ und nimmt die Künstlerin unter die Fittiche der Macht.

Mit einem Übermaß an Naivität verschließt Slezak die Augen vor den politischen Entwicklungen. Genießt vielmehr, dass sie Hitler immer wieder um Gefälligkeiten bitten kann, bis der Gestörte sie einfach fallen lässt. Fein spinnt von Feilitzsch die Fäden, aus denen schließlich grobe Stricke entstehen. Dass es zum Ende der packenden Geschichte ein wenig rührselig und bei so viel Seelenheil auch bisweilen unglaubwürdig wird, stört nicht. Bis dahin hat man alle Täler durchschritten, sich zornig über die Selbstgefälligkeit der Protagonistin geärgert, mehr als eine Träne geweint und letztlich ein unglaublich intensives Porträt nicht nur der Sängerin, sondern auch der Zeit, in der sie gelebt hat, erfahren.

Ob der historischen Genauigkeit sind Zweifel erlaubt, die aber keine Rolle spielen, weil von Feilitzsch eine spannende Geschichte erzählt, die bis heute ihre Gültigkeit hat. Es ist die Geschichte eines Menschen, der an sich selbst scheitert und das nicht begreift, weil es immer jemanden gibt, der sich darum kümmert, dass es weiter geht. Johanna Freifrau von Feilitzsch hat einen Roman verfasst, der die ganze Skala der Gefühle erfordert. Und da ist das Mindeste, dass Margarete Slezak einen großen Erfolg mit La Traviata, der vom Wege abgekommenen Protagonistin Verdis, feiern konnte. Wer sich mit dem Teufel einlässt, könnte die Botschaft dieses Romans lauten, wird sich darüber freuen, wenn er endlich im Himmel ankommt. Slezak kommt – etwas unvermittelt – im Himmel an.

Am Ende des Buches gibt es dann noch zahlreiche Schwarzweiß-Fotografien, die davon zeugen, dass Margarete Slezak tatsächlich unter uns gewesen ist. Es gibt keine Fotos mit Hitler. Weil der uns ja heute wirklich nichts mehr zu sagen hat. Ansonsten können wir aus diesem Buch viel über Menschen lernen, die keine gesellschaftliche Verantwortung übernehmen.

Michael S. Zerban, 24.5.2015