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Buchbesprechung

Loriots Kleiner Opernführer


Autor



Loriot, eigentlich Vicco von Bülow, geboren 1923 in Brandenburg, wuchs in Berlin auf und lebte zuletzt am Starnberger See. Er studierte Malerei und Graphik an der Hamburger Landeskunstschule. Seine humoristischen Arbeiten in ›Stern‹, ›Weltbild‹ und ›Quick‹ machten ihn berühmt. Er wirkte als Autor, Regisseur und Darsteller in ›Ödipussi‹ und ›Pappa ante portas‹, zwei der erfolgreichsten deutschen Kinokomödien, und war Mitglied der Akademie der Künste in Berlin und der Bayerischen Akademie der Schönen Künste. Loriot starb 2011.


Kaufinformationen

Vicco von Bülow: Loriots Kleiner Opernführer

Diogenes

ISBN 978-3-257-23595-1

Paperback, 160 Seiten, 10 Euro


Points of Honor                      

Buchidee

Stil

Erkenntnis

Preis/Leistung

Verarbeitung

Chat-Faktor


 

 

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Klassiker der Opernliteratur

Zehn Jahre ist es her, dass ein Buch auf den Markt kam, das zu den schönsten Exemplaren der Opernliteratur zählen darf und bis heute nichts von seiner Aktualität verloren hat. Verfasst wurde es von einem der wenigen deutschen Humoristen, Vicco von Bülow, besser bekannt als Loriot. Ein Humorist ist einer, der mit Comedy nichts zu tun hat, und über dessen Äußerungen man herzhafter lachen kann als über das, was heute im Fernsehen geboten wird. Aber Humor in Verbindung mit der Oper ist nun eher etwas, was dem gemeinen Deutschen noch abwegiger erscheint. Loriot hat mit seinem Kleinen Opernführer genau das geschaffen. 2003 erstmalig erschienen, hat der Autor es zwei Mal überarbeitet und ergänzt.

Das Werk, das als Taschenbuch mit rund 159 Seiten im Diogenes Verlag aufgelegt worden ist, besticht einerseits durch die „Vignetten“, Zeichnungen, die mit der inzwischen zur Marke erkorenen Knollennase Opernsituationen nachbilden, andererseits und zuvörderst natürlich mit den Texten. In drei Teile gliedert sich das Buch. Beginnend mit etwas, das tatsächlich einem Opernführer gleichen könnte, schließen sich Texte rund um die Oper an, die im letzten Teil mit einem Interview enden. Nichts scheint hier ernst und ist doch von einem Tiefgang beseelt, der uns über das „Gesamtkunstwerk Oper“ einen Moment länger nachdenken lässt. Da heißt es im Opernführer, einer Sammlung von Texten höchst unterschiedlicher Länge, ohne dass dadurch eine Gewichtung herbeigeführt würde, über den Bajazzo: Canio beginnt seine verzweifelte Arie mit den Worten: „Recitar! Mentre presso dal delirio – Jetzt spielen, wo mich Wahnsinn umkrallt…“, in einer Stimmung also, die unter Bühnenkünstlern weit verbreitet ist.

Und so geht es weiter. Leser, die die Oper lieben, werden hier Wahrheiten finden, die sie überraschen, ohne falsch zu wirken; Leser, die mit der Oper nichts anfangen können, werden sich hier absolut bestätigt finden. Dabei kann das Leben doch so einfach sein. Es spräche vieles dafür, Nahostkonflikte durch das Absingen von Arien auszutragen, heißt es in der halbseitigen Beurteilung der Entführung aus dem Serail von Wolfgang Amadeus Mozart.

Ohne jemandem weh zu tun, reduziert Loriot die Inhalte von Opern auf Erkenntnisse täglichen Daseins. Zur Così fan tutte des letztgenannten Komponisten beschließt er: Man versteht die Äußerung des empörten Beethoven, ihm wäre zu dieser unpassenden Geschichte keine Note eingefallen. Aus heutiger Sicht sieht die Sache allerdings anders aus: Die Damen haben nur bewiesen, dass sie nichts gegen Ausländer haben.

Dass Loriot eine etwas andere Sicht auf die Dinge pflegte, ist bekannt. Berühmt sein Verhältnis zu einer höchst eigenwilligen Hunderasse: Ein Leben ohne Mops ist möglich, aber sinnlos. Ähnlich unverbrüchlich war wohl seine Liebe zur Oper, die aus jeder Zeile seines Kleinen Opernführers atmet, ohne je Leidenschaft mit Verherrlichung zu verwechseln. Wunderbar deutlich wird das, wenn er das Zitat des Pierre Boulez „Die eleganteste Lösung wäre, alle Opernhäuser der Welt in die Luft zu sprengen“ zum Anlass für eine Diskussionsrunde nimmt. Es versteht sich schon fast von selbst, dass deutsche Kulturexperten-Gründlichkeit ein solches Zitat wörtlich nimmt und die Möglichkeiten abwägt, dieses Unterfangen zu verwirklichen.

Wer – womöglich als Opern-Nichtkenner – immer noch glaubt, auf dieses entspannte Werk aus der Feder eines der, nun nachgewiesenermaßen, größten Experten für die Oper verzichten zu können, dem seien abschließend diese Zeilen zum Rosenkavalier von Richard Strauss empfohlen: Dieses Werk hat ein ungewöhnliches Verdienst: es zeigt die Männer als solche von ihrer dämlichsten Seite. Nur der jugendliche Liebhaber hat unsere Sympathie, und den singt eine Frau! Sonderbar: Man gewöhnt sich an alles…

Eine Oper allerdings lässt Vicco von Bülow aus: Der Ring an einem Abend. Schade, denn die ist mit Musik und fast noch besser als das geschriebene Wort. Egal, wer auf dem gestreiften Sofa sitzt, man sieht eigentlich nur Loriot, der diesen unvergesslichen Abend moderiert. Großartig wie das Buch.

Michael S. Zerban, 1.9.2013