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Buchbesprechung

Bilanz nach 26 Jahren


Im Porträt



Rainer Lewandowski studierte Literaturwissenschaft, Sprachwissenschaft, Politik, Philosophie, Pädagogik, Psychologie und Soziologie. Seit 1975 ist er als Autor für Hörfunk, Fernsehen, Theater und Verlage tätig. Seit 1979 war er am Staatstheater Hannover als Regieassistent, Dramaturg, Autor und Regisseur tätig. Von 1989 bis 2015 war er Intendant des E.T.A.-Hoffmann-Theaters Bamberg.


Kaufinformationen

E.T.A.-Hoffmann-Theater (Hg.):
Rainer Lewandowski - Intendanz 1989 - 2015

Eigenverlag

ISBN -

Paperback, 172 Seiten, 9 Euro


Points of Honor                      

Buchidee

Stil

Erkenntnis

Preis/Leistung

Verarbeitung

Chat-Faktor



 

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Alles anders

Wenn alles gut läuft, bleibt ein Intendant in der Regel zehn Jahre an einem Haus. Wenn er geht, werfen (Stadt-)Politiker und Publikumsvertreter sich mächtig ins Zeug, um sein Werk zu würdigen. Zum Abschied gibt es ein Buch – an dem der Intendant das letzte Jahr seines Wirkens verbracht hat und mit ihm ein ganzer Stab von Mitarbeitern. Man bemüht sich, das Buch möglichst hochwertig aussehen zu lassen, um so auch die Wertschätzung zum Ausdruck zu bringen. Die nächsten zehn Jahre werden darüber vergehen, dass viele Menschen nicht oft genug betonen können, wie großartig die Ägide dieses Intendanten im Vergleich zu den herrschenden Verhältnissen gewesen sei.

Rainer Lewandowski musste 26 Jahre auf sein Buch warten. So lange war er Intendant des E.T.A.-Hoffmann-Theaters in Bamberg. Und er bekam in diesem Jahr auch keinen Hochglanz auf schwerem Papier in gebundener Form und ungewöhnlichem Format zum Abschied. Der rosafarbene Paperback-Band wirkt eher wie ein Dossier, und so findet sich auch auf dem Cover kein Foto, sondern schlicht der Titel Rainer Lewandoswski – Intendanz 1989 – 2015 und unten rechts ganz klein das Logo des Theaters. Das Innenleben der gut 170 nahezu DIN-A4-großen Seiten strahlt in der Typologie Schlichtheit aus, es gibt zahlreiche großformatige Fotos, darunter immerhin viele Vierfarb-Drucke. Angeboten wird das Buch zu einem Preis, zu dem man heute kaum noch ein Taschenbuch bekommt. Und das kommt einer Botschaft gleich. Lewandowski wollte ein „demokratisches“ Buch, eines, das sich möglichst viele Menschen – in Bamberg – leisten können und wollen. Es geht ihm nicht um die Selbstbeweihräucherung, sondern um die Bilanz seines Schaffens.

Das ist aller Ehren wert, und dazu passt auch, dass sich kein persönliches Wort von ihm findet, wenn man vom Abdruck eines früheren Interviews aus einer Lokalzeitung absieht. Er lässt andere erzählen, beurteilen und urteilen. Politiker, Weggefährten, Freunde und Mitarbeiter beiderlei Geschlechts erzählen in kurzen bis ganz kurzen Texten über den Stellenwert des Menschen, aber auch des Intendanten Lewandowski, thematisch geordnet. Unter den Laudatoren gibt es glücklicherweise nicht nur Weihrauch-Nebelwerfer, sondern auch Anekdoten-Erzähler – und das macht das Buch überaus lesenswert. So berichtet etwa Till Fabian Weser, Dirigent und Künstlerischer Leiter des Internationalen Opernworkshops Sommer-Oper Bamberg, von seiner ersten Begegnung mit Lewandowski im Frühjahr 2004. „Ich erzählte ihm von meinem Plan, mit einem Orchester aus unerfahrenen Studenten und einem Ensemble aus zum Teil sehr jungen Sängern Puccinis Tosca  in nur dreieinhalb Wochen auf die Bühne seines Theaters bringen zu wollen – einem Plan, den damals fast jeder Vernunftbegabte für eine absolute Schnapsidee hielt.“ Der Intendant war visionär genug, an das Konzept zu glauben, und so gibt es die Sommer-Oper Bamberg heuer im zehnten Jahr.

Dergleichen Geschichten und Geschichtchen – vor allem von den ersten Begegnungen – gibt es viele. Sie sind amüsant. Und als zusammengesetztes Puzzle zeigen sie nicht nur ein Vierteljahrhundert Stadttheater-Geschichte, sondern auch das Bild des unprätentiösen Arbeiters, der neben seiner Vorliebe für das Theatermachen vor allem eines geleistet hat: Es ist ihm gelungen, was heutzutage schwierig bis unmöglich scheint – das Theater in der Stadt zu verankern. Und damit wird aus einer „üblichen“ Festschrift plötzlich ein Lehrstück für die Theater in Deutschland – und vermutlich nicht nur da.

Rainer Lewandowski hinterlässt ein wohlbestelltes Feld. Bei anderen muss das in diesem „letzten Buch“ oft genug schön geredet werden. Bei ihm ist auch das anders. Lewandowski 2015: Das ist der Intendant, der seinen Arbeitsplatz bereits geräumt hat, für den also ein Kapitel offensichtlich abgeschlossen ist; und das ist der Autor, der jetzt noch viel Zeit hat, im Theaterleben Deutschlands weiter zu wirken. Mit neuen Stücken – und einem Buch, das neben der üblichen Beweihräucherung vor allem eines zeigt: Das Theater, vulgo die Oper, Operette, das Musical in der Stadt hat eine Überlebenschance. Wie’s geht, kann man bei Lewandowski nachlesen.

Michael S. Zerban, 25.7.2015