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Buchbesprechung

Der Countertenor Jochen Kowalski


Autor



Jochen Kowalski, einer der außergewöhnlichsten Sänger unserer Zeit, feierte 2012 sein 30-jähriges Bühnenjubiläum. Für seine herausragenden Leistungen erhielt der Berliner Kammersänger zahlreiche Auszeichnungen.


Kaufinformationen

Jochen Kowalski:
Der Countertenor Jochen Kowalski - Gespräche mit Susanne Stähr

Henschel

ISBN 978-3-89487-930-3

Hardcover, 208 Seiten, 25 Euro


Points of Honor                      

Buchidee

Stil

Erkenntnis

Preis/Leistung

Verarbeitung

Chat-Faktor


 

 

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Junggebliebener Altus

Jochen Kowalski ist einer der bekanntesten Countertenöre und vor allem einer der ersten, der das auch „Altus“ genannte Stimmfach wieder auf den Opern- und Konzertbühnen Deutschlands und der ganzen Welt etablierte und ein neues Rollenrepertoire erschloss.

Kowalski wird 1954 in der ehemaligen DDR in Wachow geboren und entdeckt früh seine Liebe zum klassischen Gesang und zur Oper. Nach dem Abitur verschlägt es ihn zunächst durch Zufall an eine Wirkungsstätte seiner Träume, an die Staatsoper unter den Linden, allerdings nicht als Sänger, sondern erst mal als Requisiteur. Wie er dann doch noch auf die geliebte Bühne kommt und auf Umwegen erst als Tenor und dann als Countertenor seinen Weg macht, ist eine spannende Geschichte, die es wert ist, erzählt zu werden.

Das Buch trägt den Untertitel „Gespräche mit Susanne Stähr“. Tatsächlich hält der Titel was er verspricht, denn den Leser erwartet keine übliche Biografie, sondern ein Interview in Buchform. Die Autorin, ehemals an der Hamburgischen Staatsoper als Pressesprecherin, leitende Dramaturgin der Salzburger Festspiele und seit 2007 für das Lucerne Festivals tätig, bringt mit ihrer Erfahrung das nötige Know-how mit, um ein solches Gespräch sinnvoll zu führen. Die zumeist intelligent formulierten Fragen zeugen von einer ordentlichen Vorbereitung, und hin und wieder lassen sich auch Spontaneitäten entdecken. Zu einer Auflockerung der chronologischen Kapitelordnung sollen Intermezzi, also Zwischenspiele, beitragen. Leider gelingt es nicht immer, die Struktur aufzubrechen, denn die Exkurse wirken teilweise beliebig bis überflüssig. Beispielsweise interessiert es wenig, was ein Sänger, der so viel Spannendes zu erzählen hat, von Katharina Witt oder dem aktuellen Bundespräsidenten hält.

Diese Art, eine Autobiographie entstehen zu lassen, ist außergewöhnlich und birgt sowohl Vor- als auch Nachteile. Zwar hat man das Gefühl, dass man durch die ungezwungene Sprechweise, die ein Gespräch mit sich bringt, Kowalski von einer persönlichen Seite kennenlernt, allerdings leidet der Lesegenuss dadurch auch beträchtlich. Zu oft ärgert man sich über die Fragen, die jedes Mal einen Bruch im Lesefluss bedeuten und die für ein ungetrübtes Leseerlebnis fehlende wohlformulierte Schriftsprache. Ein verschriftlichtes Gespräch kann zwar eine normale Autobiographie nicht ersetzen, doch ist es eine Möglichkeit, relativ schnell und lebensnah ein Porträt einer Persönlichkeit zu erstellen, die im Fall von Kowalski auch gewisse Reize mit sich bringt.

Inhaltlich hat das Buch viel zu geben. Man erfährt nicht nur Wissenswertes über den Beruf des Sängers, speziell des Altus, sondern auch viel Insiderwissen und erstaunliche Anekdoten über berühmte Kollegen, politische Vorkommnisse und die Welt der Oper. Kowalski plaudert richtig aus dem Nähkästchen. Etwas schade ist das eigene Understatement, das Herunterspielen von eigenen Leistungen und Hervorheben von Zufällen. Das liegt wohl auch an der Form des Gesprächs, in dem man als im Mittelpunkt Stehender natürliche Bescheidenheit und Höflichkeit an den Tag legt. Wer prahlt schon gerne?

Das Hardcoverbuch erfreut mit einer soliden Verarbeitung. Der Text wird durch zahlreiche Fotos ergänzt, zusätzlich gibt in der Mitte des Buches eine Strecke mit Farbfotografien über 15 Seiten, die das Gelesene anschaulich zum Leben erwecken. Hätte man beispielsweise gedacht, dass Kowalski 1988 für die Vogue posierte? Im Anhang findet man neben einer Vita auch eine ausführliche Diskographie. Das darf man für 25 Euro aber auch erwarten.

Einen Wermutstropfen birgt das Konzept des Interviews: Trotz Kowalskis Offenheit bleiben Fragen im Raum stehen, wenn es etwa um die politischen Verwicklungen in der DDR und die Stellung geht, die das Operngeschäft und seine Angehörigen hatten. So ganz wohl scheint sich Kowalski bei dem Thema nicht zu fühlen; dementsprechend reagiert sein Gegenüber Strähl und hakt nicht nach, der Blick auf das Zeitgeschehen bleibt stark subjektiv gefärbt.

Dennoch überwiegt der sympathisch-bodenständige Eindruck Kowalskis. Nicht nur eingefleischte Fans der Oper werden hier auf Ihre Kosten kommen, auch für Einsteiger und Interessierte bietet diese mit Anekdoten gewürzte Autobiografie Unterhaltung.

Miriam Rosenbohm, 12.9.2013