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Buchbesprechung

Der Konzertagent


Autor



Jörg Hannemann, geboren 1942, lebt in Hamburg und Italien.


Kaufinformationen

Jörg Hannemann: Der Konzertagent

Berlin University Press

ISBN 978-3-86280-056-8

Gebunden, 150 Seiten, 20 Euro


Points of Honor                      

Buchidee

Stil

Erkenntnis

Preis/Leistung

Verarbeitung

Chat-Faktor


 

 

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Bonjour, Tristesse

Alle litten bis an ihr Lebensende, hauptsächlich an sich selbst. Und hofften bis zum letzten Tag auf Unsterblichkeit. Den Musikern ergeht es eigentlich anders. Sie leben ein Leben, oft nur ein angelesenes Leben, und sterben, bis dahin gepflegt, versorgt und ordentlich gekämmt, einen Tod wie andere auch.“ Ich-Erzähler Heinrich Glöde ergießt seinen Weltschmerz über den Leser, bis diesem auch der letzte Funke Humor erloschen ist. Glöde kehrt in die Provinz zurück, startet dort nach einer missglückten Karriere als Maler und Tapezierer eine Karriere als Konzertagent, die ihn durch die Provinz tingeln lässt. Er hat das ja alles so nicht gewollt, aber dann ist es doch so gekommen. „Ich sei dazu gekommen wie die Jungfrau zum Kinde, wie man sage, was heiße, daß es ein Mißverständnis gegeben habe, sagte ich und schwieg. ‚Also, es fiel mir so in den Schoß, was soll ich sagen‘, sagte ich. Aber ich erzählte es ihm dann doch. Nach dem zweiten Bier werde ich redselig.“ Neben einer mitunter hakelnden Diktion, die man als stilistisches Kunstmittel bewerten mag, ist die veraltete Schreibweise des Buches überflüssig, weil sie den Lesefluss stört.

Autor Jörg Hannemann zeichnet einen Protagonisten, bei dem man dringend einen psychiatrischen Befund erheben müsste. So viel Depression auf 150 Seiten ist schwer verdaulich, und warum diese Abrechnung mit einem Orchesterbetrieb, der allzu oft menschelt, sein muss, erschließt sich kaum. Orchester sind ja auch nur Menschen. Dass es zu den Aufgaben eines Konzertagenten gehört, sich in immer die gleichen Konzerte zu setzen, mag hie und da ermüdend sein, gehört aber sicher zu seinen Aufgaben. Und wem das zu beschwerlich wird, der möge den Beruf wechseln. Wer Orchester während einer Tournee betreut, darf sich über die Auswüchse wundern, aber nicht elegisch darüber herfallen, dass russische Musiker das Frühstücksbuffet abräumen und sich für den Tag mit Lebensmitteln eindecken. Russische Musiker haben das vermutlich mit einem Drittel der Pauschaltouristen gemein. In Spanien weisen große Schilder darauf hin, dass das Mitnehmen von Lebensmittel vom Frühstücksbuffet in einem Hotel strafbewehrt ist.

Orchester sind merkwürdige Gebilde, weil der Musiker per se sich als Solist sieht, worauf Hannemann auch hinweist. Dirigenten können davon Lieder singen, wenn sie denn singen können. Sicher gibt es merkwürdige Anspruchshaltungen. Und hier hätte sich großes Potenzial ergeben. Wenn etwa Musiker sich als die besseren Beamten gerieren. Aber der Autor schreibt daran vorbei, wenn er davon berichtet, welche Kosten Glöde auf sich nehmen muss, um im Geschäft zu bleiben. Jeder Manager aus der freien Wirtschaft kann darüber mehr berichten. Hannemann vertut eine Chance nach der anderen, bis der Leser kopfschüttelnd danach fragt, wann das Ende des Buches endlich erreicht ist.

Selbstverständlich hat Glöde auch eine Freundin. Ingrid. Sie liest Rilke. Es gibt Schlimmeres. Alsbald möchte der Leser nur noch hoffen, dass ihm eine solche Altersfreundschaft erspart bleibt. Für Männer fortgeschrittenen Alters kann eine solche Schrift nicht empfohlen werden. Nimmt sie doch jede Illusion, es gäbe eine Liebe nach der Liebe. Und daran möchten doch – außer Glöde und Hannemann – gern alle glauben.

Michael S. Zerban, 15.9.2013