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Buchbesprechung

Wirklich wichtig sind die Schuhe


Autorin



Elina Garanca wurde 1976 in Riga als Kind in eine musikalische Familie geboren. Ab 1996 studierte sie an der Lettischen Musikakademie in ihrer Heimatstadt. Großes Aufsehen erregte sie mit ihren Erfolgen beim Internationalen Mirjam Helin-Gesangswettbewerb 1999 und beim BBC’s Cardiff Singer of the World 2001. Nach Stationen in Meiningen und Frankfurt wurde sie 2003 als Ensemblemitglied an die Wiener Staatsoper engagiert. Ihre steile internationale Karriere führte sie bald an alle wichtigen Musikzentren, Opern- und Konzerthäuser.


Kaufinformationen

Elīna Garanča: Wirklich wichtig sind die Schuhe

Ecowin

ISBN 978-3-7110-0045-3

Gebunden, 211 Seiten, 22 Euro


Points of Honor                      

Buchidee

Stil

Erkenntnis

Preis/Leistung

Verarbeitung

Chat-Faktor


 

 

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Was eine Sängerin wirklich braucht

Elīna Garanča gilt als eine der bedeutendsten Mezzosopranistinnen der Gegenwart. Sie tritt an allen bedeutenden Bühnen Europas, wenn nicht der Welt auf. Die Fans liegen ihr zu Füßen, wie man so schön sagt. Da ist es aus Marketingsicht sicher richtig, mit einer Biographie aufzuwarten. Also veröffentlicht der Ecowin-Verlag in Salzburg dieser Tage ein mehr als 200 Seiten starkes Werk mit dem Titel Wirklich wichtig sind die Schuhe. Auf den letzten 40 Seiten finden sich Listen ihrer Auftritte und Tonträgerveröffentlichungen. Bleiben immer noch rund 160 Seiten, die es zu füllen gilt. Die Sängerin ist gerade mal 37 Jahre, also noch weit von der voraussichtlichen Lebensmitte entfernt. Gerade hat sie bekannt gegeben, dass sie die Geburt ihrer zweiten Tochter zum Jahreswechsel erwartet. Da gibt es, wenn man ehrlich ist, noch nicht so richtig viel zu erzählen. Wenn zudem der Lektor nicht eben brillant ist, wird es schwierig, die Seiten mit spannenden Inhalten zu füllen. Aber Tricks helfen. Und so kann man sich seitenlang durch Inhaltsangaben von Opern wühlen, in denen die Garanča eine Rolle gespielt hat. Und weil das allein nicht ausreicht, muss noch ein historischer Ausflug auf den Balkan herhalten. Das ist spannend, hat aber mit der Sängerin nur ausgesprochen mittelbar etwas zu tun.

Auf der anderen Seite bleibt das Buch streckenweise sehr an der Oberfläche. So erfahren wir über eine der vermutlich wichtigsten Personen und Förderer im Leben der Elīna kaum das Notwendigste. Irina Gavrilovici, die sie als Gastprofessorin an der Oper in Riga kennenlernt, lädt sie ein, eine Woche in ihrem Wiener Musikstudio zu verweilen. In dieser Woche absolvierte ich einen Intensiv-Kurs, jeden Tag übte Irina eine Stunde mit mir. Den Rest des Tages verbrachte ich vor allem damit, meine Ohren zu spitzen. Ich beobachtete und hörte mir sehr genau an, wie Irina mit ihren Studenten arbeitete, welche Fehler sie ausbesserte und wie der Ton dann richtig gesungen wurde. […] Und so gelang mir in meiner ersten Woche in Wien ein Durchbruch: Ich steigerte meine Stimme auf zwei Oktaven. Das ist mehr als dünn. Vielleicht wird Garanča ja auf ihrer unmittelbar nach Veröffentlichung des Buches beginnenden Lesereise verraten, ob sie eigentlich ihr Gesangsstudium je beendet hat. In ihrer Biografie erfahren wir lediglich, dass sie im dritten Jahr ihrer Ausbildung die Akademie verlässt, um ihr erstes Engagement in Meiningen anzutreten.

Wer von diesen handwerklichen Schwächen absieht, erfährt einiges über das Leben und Denken einer Sängerin, die mehr als einmal betont, dass sie keine Diva sei, sondern nur sehr genau überlege, was ihrer Gesundheit und Karriere dienlich sei. Und es geht gut los. Ich bin die beste melkende Sängerin: Elīna verbringt ihre Kindheit im Spannungsfeld des Landlebens bei ihren Großeltern und dem städtischen Gesellschaftsleben ihrer kulturell interessierten und tätigen Eltern. Sachlich beschreibt Garanča ihre Berufsfindungsschwierigkeiten in den schwierigen Zeiten der Pubertät. Und wer später, als sie sich dem Gipfel ihrer Karriere nähert, etwas über ihre Beziehung zu Anna Netrebko erfahren will, wird auch darüber informiert.

Ich weiß, was die Fans von mir erwarten, was das Opern-Business von mir verlangt, und ich spiele dabei auch gern mit und signiere nach jeder Vorstellung CD-Cover und Autogrammkarten und lasse mich mit meinen Fans fotografieren. Aber es sind immer zwei Elīnas – eine für die Öffentlichkeit und eine für zu Hause. Die für zu Hause wird Garanča anscheinend in der jetzigen Lebensphase immer wichtiger, was nicht nur an der bevorstehenden Geburt liegen mag. Vielmehr, und das betont sie gleichfalls mehrfach, sieht sie die Endlichkeit der Stimme. Eine Sängerin, die nicht nur lyrisches, sondern auch dramatisches Repertoire singt, kann, meiner Einschätzung nach, bis Mitte 50 singen. Und da kann es nicht schaden, sich rechtzeitig darauf vorzubereiten. Zumal – und spätestens hier hätte ein guter Lektor Not getan – eine Star-Mezzosopranistin im Range einer Elīna Garanča mit nur 13.000 Euro auskommen muss. Pro Auftritt, versteht sich. Da wird es schon mal eng, wenn man noch den Agenten, die Reisekosten und die Sozialversicherung sowie die Steuern abziehen muss. So hat die Autorin ihrem Mann schon mal im Scherz gesagt: Wenn meine besten Jahre vorbei sind, dann bist du dran. Auch heute schon, davon darf man getrost ausgehen, verdient Karel Chichon als Dirigent ausreichend, eine Familie zu ernähren. Das Schöne an Biografien ist, dass sie immer auch Entlarvendes bereit halten.

Was es mit dem Titel des Buchs auf sich hat, ist weitaus weniger spektakulär. Aber sicher ein guter Tipp für angehende Star-Operndiven.

Michael S. Zerban, 10.11.2013