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Buchbesprechung

Alte Musik


Autor



Thomas Forrest Kelly, geboren 1943 im amerikanischen Greensboro, studierte an der Universität von North Carolina. Nach einem zweijährigen Frankreich-Aufenthalt beendete er sein Studium in Harvard. Nach Stationen am Oberlin Konservatorium, wo er Direktor des Programms für Historische Aufführungspraxis war, und am Five College Consortium in Massachusetts lehrte er am Wesley College und schließlich in Harvard. Sein Interesse gilt insbesondere der Musik des Mittelalters und der Historischen Aufführungspraxis.


Kaufinformationen

Thomas Forrest Kelly: Alte Musik

Reclam

ISBN 978-3-15-019173-6

Paperback, 181 Seiten, 8 Euro


Points of Honor                      

Buchidee

Stil

Erkenntnis

Preis/Leistung

Verarbeitung

Chat-Faktor


 

 

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So versteht es auch der Laie

Was ist eigentlich Alte Musik? Gefühlt hört man den Begriff häufiger als die Musik selbst. Thomas Forrest Kelly war Präsident von Early Music America, lehrte als Professor und Direktor für das Programm der Historischen Aufführungspraxis am Oberlin Konservatorium und arbeitete später als Professor in Harvard. Jetzt ist sein 2011 verfasstes Werk Early Music: A very short introduction in der Übersetzung von Herbert Geisen unter dem Titel Alte Musik bei Reclam erschienen.

„Was singen und spielen die Engel auf den mittelalterlichen Gemälden? Was tun die Musiker oben auf den Balkonen in dieser Bankettszene? Zu welcher Musik tanzte Elizabeth I.? Welche Musik unterhielt Ludwig XIV. beim Essen? Das sind eher historische als die Musik betreffende Fragen, weil wir nicht in erster Linie musikalisches Vergnügen, sondern historisches Wissen in dem Bemühen anstreben, uns ein abgerundetes Bild von einer Zeit und einem Ort zu verschaffen. Wenn wir dann auch die Musik mögen, umso besser.“ Während viele deutsche Professoren sich nach wie vor darum bemühen, für die Allgemeinheit möglichst unverständlich zu sprechen, um so ihre „Kompetenz“ zu demonstrieren, ist es in den angloamerikanischen Ländern seit jeher üblich, dass Professoren ihre Erkenntnisse so formulieren, dass sie möglichst für jedermann verständlich sind. In Deutschland nennt man so etwas despektierlich „populärwissenschaftlich“. Für die Leser von Kellys Alte Musik ist es eher ein Glücksfall. Erklärt er doch in leicht verständlicher Sprache, was es mit diesem Phänomen auf sich hat. Von den Gregorianischen Gesängen über die Musik der Renaissance bis zu der des Barock führt die vergnügliche und durchaus kritische Reise von Thomas Kelly, bis er schließlich in der Gegenwart landet. „Der Wunsch nach einer Rekonstruktion aller Aufführungsaspekte der Vergangenheit kann dazu führen, sich mit den Kostümen, der Theaterkonstruktion, der Kerzenherstellung und einer Fülle von anderen Details zu befassen, die die Forschungsarbeit mit Trivialitäten überschwemmen“, warnt Kelly vor Übertreibungen. So wie er auch die Möglichkeiten der Historischen Aufführungspraxis relativiert, ohne sie – wie inzwischen viele seiner Kollegen – in Grund und Boden zu verdammen.

Alte Musik ist wunderschön, sofern man es mit „Authentizität“ und Historischer Aufführungspraxis nicht übertreibt. „Die Macht der Alten Musik liegt in dem Engagement derer, die sich ihr aus Liebe zum Repertoire widmen und aus ihrer Begeisterung für die Bestrebungen, die Musik der Vergangenheit einem Publikum von heute nahezubringen“, schließt der erfahrene Musikwissenschaftler versöhnlich und bringt auf den Punkt, dass die Wahrheit wie so oft in der Mitte der Extreme liegt. Auf rund 180 Seiten dieses handlichen Formats, dass die Lateiner auf ihrem Weg durch De Bello Gallico schätzen und lieben gelernt haben – obwohl es den Dilettanten unter ihnen nichts genutzt hat – werden wir tief in die Welt der Alten Musik mit all ihren Aspekten getaucht; und tauchen geläutert, wissend und mit einem gelassenen Schmunzeln wieder aus ihr auf. So muss ein Buch sein.

Michael S. Zerban, 2.2.2015