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DVD-Besprechung

Il Barbiere di Siviglia

10.3.2013


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Kamera
Ton

Chat-Faktor


Cover





 

 

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Zurück zu den Anfängen

Es gibt die Zeit vor der Koloratur-Königin Cecilia Bartoli, und es gibt auch Dokumente über die Anfänge der Mezzosopranistin. Eines davon ist ein alter Klassiker noch aus Videozeiten, der zum wiederholten Mal nun auf DVD erscheint. Zu sehen gibt es Rossinis witzige Komödie Il Barbiere di Siviglia von den Schwetzinger Festspielen 1988. Der damalige Kölner Opernchef Michael Hampe führt Regie und beweist, wie unterhaltsam und anschaulich eine konventionelle Aufführung sein kann, wenn man sie nur liebevoll und aufmerksam inszeniert. Hampe gelingt es, den Figuren ein richtiges Leben zu geben, ohne sie nur als Clowns in einer Komödie wahrzunehmen. Da ist Doktor Bartolo ein alter Patriarch, der seine Schwäche in der im Stück erwähnten überflüssigen Vorsicht sowie in seinem schwachen Herzen hat. Gerade letzteres Leiden stellt er auch gerne zur Schau, um seinem Mündel Rosina ein schlechtes Gewissen einzujagen. Gegen das Tempo der jüngeren Generation hat er kaum eine Chance.

Hampe lässt diese Komödie ganz für sich selbst sprechen. Alles was er macht, ist, die passenden Pointen an der richtigen Stelle zu zünden. Davon gibt es auch einige, etwa wenn der unwissende Bartolo mit Figaro ein Tänzchen wagt. Der Regisseur versteht sich darauf, Tempo auf der Bühne zu entwickeln, ohne die Darsteller je in Hektik zu treiben. Er weiß, wie man Ruhe vermittelt, ohne in Langeweile zu verfallen. Nicht zuletzt weiß die Aufführung durch das Bühnenbild und die Kostüme zu gefallen. Ezio Frigerio schafft einen schönen Wohnraum mit vielen Zugängen und vielen kleinen Details. Mauro Pagano hüllt die Darsteller in schicke Kostüme, die der opéra comique gemäß die Charaktere der Person unterstützen.

Weder optisch noch tontechnisch enttäuscht die DVD. Man merkt den Fortschritt der Technik. Die Kamera traut sich mehr, der Schnitt wird schneller, der Ton wird deutlicher. Traurig ist hingegen, dass man die DVD ohne nennenswerte Extras verkauft. Auch das schmale Booklet ist kaum der Rede wert. Im Kapitel Die Aufführung wiederholen sich sogar die Infos über die Ausführenden.

Nicht, dass diese doppeltes Lob nicht verdient hätten. Man kann zwar nicht behaupten, dass die Aufführung makellos wäre, aber es reicht durchweg zu einem vokalen Vergnügen. Etwas skurril ist der Chor der Kölner Oper: Eigentlich singt die Männerschar ja sehr ordentlich, doch im Tenor ist eine Stimme, die voller Elan und Inbrunst immer zweieinhalb Halbtöne daneben liegt. Darüber muss man in den Chorszenen großzügig hinweg hören. Darüber hinaus sind Archetypen des komödiantischen Belcantogesangs aufgeboten: Robert Lloyd verleiht seinem Basilio vokalen Biss und viel Kraft, so dass man den Erfolg seiner Verleumdung fürchten muss. Carlos Feller hat im Alter etwas Agilität eingebüßt, doch es reicht immer noch, um einen großartigen, weil würdevollen Bartolo auf die Bühne zu wuchten. Den verliebten Almaviva singt der charakterstarke David Kuebler mit Belcanto-versiertem Tenor und einem verschmitzten Lächeln. Der Amerikaner Gino Quilico verpasst der Titelrolle einen charmant-gewitzten Auftritt und ein wortgewandtes Parlando. Nur in manch gestemmter Höhe verliert der Sänger seine Selbstsicherheit. Bei Bartolis Rosina erkennt man die Grundlage ihrer großen Karriere und kann die Sängerin dafür noch ganz natürlich genießen: Ihre perlenden Koloraturen, das resolute Auftreten, die enorme Höhensicherheit – all ihre Markenzeichen spielt sie hier schon gewinnbringend aus. Am Pult des Stuttgarter Radio Symphonie Orchester sorgt Belcanto-Experte Gabriele Ferro für einen federnden Klang und stilsichere Begleitung.

Allein schon für Fans der Bartoli ist diese DVD ein Muss, aber auch Freunde Rossinis und der traditionellen Oper werden ihre Freude an dieser unverwüstlichen Produktion haben.

Christoph Broermann

Fotos: Hugo Jehle (SDR, SWR)