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Fakten zur Aufführung 

DER EINFLUSS DES MENSCHEN AUF DEN MOND
(Klaus Lang)
26. März 2011
(Uraufführung)

Staatstheater Braunschweig

Points of Honor                      

Musik

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Audiobeitrag

Wenn Sie auf die erste Taste klicken, hören Sie den Audiobeitrag von Christian Schütte mit dem Komponisten Klaus Lang und dem Dirigenten Sebastian Beckedorf.

 

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Zwischen den Sphären

Uraufführungen von Auftragskompositionen sind am Staatstheater Braunschweig zu einer Tradition von schöner Regelmäßigkeit geworden. Der Österreicher Klaus Lang, der in jüngster Zeit verstärkt nach neuen Formen für das Musiktheater sucht, hat zusammen mit dem Dramatiker Händl Klaus der einfluss des menschen auf den mond geschaffen.

Die äußere Handlung ist ebenso knapp wie simpel. Ein Astronaut kehrt vom Mond zurück, begegnet seiner Köchin, die ihm sein Lieblingsgericht kocht, und einem Briefträger, der ihm seine Fanpost überbringt. Diesen Menschen erzählt er von seinen Erlebnissen auf dem Mond, von seiner Begegnung mit dem Mann im Mond, der sich wie eine zweite Stimme des Astronauten immer wieder unsichtbar zu Wort meldet. Der Briefträger ist so fasziniert von den Erzählungen, dass er auch zum Mond fahren will, der Astronaut erklärt ihm, was dafür nötig ist. Die Texte sind überwiegend knappe, beinahe fragmentarische Phrasen, eine Sprache, die die Brüchigkeit sucht.

Dass die äußere Handlung kaum mehr als eine dünne Hülle ist, dafür sorgt Klaus Lang. Er schafft Klangräume, die weit darüber hinausgehen, eine Geschichte zu illustrieren. Minimales musikalische Material dekliniert er in den feinsten Schattierungen, setzt genauso flirrende und schillernde Klänge ein wie hohle und leere. Die verbinden sich gezielt zum einem Raumklang, weil die Musiker – eine klassische Orchesterbesetzung, reduziert auf Kammerensemblestärke – im ersten Rang verteilt sitzen, über und neben dem Publikum. Dieser Effekt verfehlt seine Wirkung nicht, zieht den Hörer unmittelbar in seinen Bann.

Die schwierigste Klippe haben Musiker und Sänger mit dem fast permanenten äußersten Piano zu überwinden. Das erfordert höchste Konzentration, allerdings auch beim Hören. Das gut 75-minütige Werk gerät so trotz seiner Kürze für alle, die sich ihm stellen, zu einer Herausforderung. Die bestehen Dirigent Sebastian Beckedorf und seine Musiker mit beachtlicher Kondition. Mit großer Klarheit und Transparenz lassen sie Klaus Langs Partitur trotz der absoluten Reduktion ihrer Mittel mit einer breiten Farbpalette erklingen.

Auch das Ensemble stellt sich den ungewöhnlichen und anspruchsvollen Aufgaben mit schierer Leichtigkeit. Obwohl es keine Linien oder Bögen zum Aussingen gibt, kann Sarah Ferede dem Astronauten mit ihrem leuchtenden Mezzo Wärme verleihen. Akiko Ito gibt dem Mann im Mond gleißende Töne aus sphärischen Höhen. Tobias Haaks unterstützt die Neugier des Briefträgers mit hell-strahlendem Tenor und Lukas Schmid die knorrige Köchin mit profundem Bass.

Regisseur Paul Esterhazy und Ausstatterin Claudia Doderer schaffen einen durch drei schräge Wandelemente und eine von oben herabhängende Projektionsfläche begrenzten Raum, der von Harry Heutink stimmungsvoll ausgeleuchtet wird. Kaltes Weiß steht immer wieder im Vordergrund und symbolisiert dem im Libretto beschriebenen Schneefall als Zeichen der Unberührtheit der Landschaft, sowohl auf dem Mond als auch auf der Erde. Der Raum schwebt bewusst zwischen beiden Sphären, zwischen der Kargheit des Mondes und der stillen Kälte einer verschneiten Landschaft. Die immer wieder zu Momenten der Stagnation neigende Struktur der Partitur setzt Esterhazy in zeitlupenartige Bewegungen um, die Protagonisten werden so ein Teil des klingenden Raumes, keine individuellen Figuren.

Das Stück hat Brüche, es wirft Fragen auf. Es lässt dem Zuschauer aber auch viel Raum für eigene Assoziationen. Das Premierenpublikum war am Ende nicht ganz frei von Irritationen, gab schließlich doch allen Beteiligten, vor allem Klaus Lang und Händl Klaus, sehr herzlichen und wohlwollenden Beifall mit auf den Weg.

Christian Schütte