Kulturmagazin mit Charakter
Hintergründe
Das erste Wochenende im August ist im Rabbit-Hole-Theater am Essener Viehofer Platz inzwischen als fester Termin für das Sommerfest etabliert. Vor zwei Jahren als spontane Idee innerhalb weniger Tage aus dem Boden gestampft, hat es inzwischen beachtliche Ausmaße erreicht. 25 Auftritte verschiedenster Genres werden in zweieinhalb Tagen absolviert. Im Stundentakt treten die Künstler auf und laden die Besucher bei freiem Eintritt ein, die Möglichkeiten eines kleinen Theaters zu erleben.
Das Glück ist mit dem Tüchtigen. Das dürfen Dominik Hertrich, Jens Dornheim und Christian Freund, die drei Betreiber des Rabbit-Hole-Theaters am Essener Viehofer Platz mit ihrem Team erleben. Während es am Vortag noch regnete, als gäbe es kein Morgen mehr, hat sich das Wetter im Laufe des Freitags wieder in einen friedlichen Sommer verwandelt. Letzte Sonnenstrahlen läuten bei angenehmen 26 Grad den Freitagabend ein. Und so kann das Sommerfest, zu dem das Theater bereits zum dritten Mal jeweils am ersten Augustwochenende einlädt, wie geplant auf den Bürgersteig vor dem ehemaligen Ladenlokal erweitert werden. Das bedeutet auch, dass die Besucher gleich bei ihrer Ankunft und noch vor Betreten des Theaters mit einem ersten Höhepunkt konfrontiert werden. Denn neben dem Zelt, das vor dem Eingang aufgebaut ist und ein paar bequeme Sitzgelegenheiten bietet, ist ein Grill aufgebaut. Dornheim lässt es sich nicht nehmen, selbst köstliche Bratwürste zuzubereiten. Nicht diese blassen Dinger, die auf Volksfesten geschmacksarm und fetttriefend angeboten werden, sondern ordentlich braun gegrillte, würzige Würste, inzwischen zur seltenen Delikatesse geworden. Ja, gewiss, es werden auch vegane, so genannte Bratwürste feilgeboten, aber die werden in gebührendem Abstand zum eigentlichen kulinarischen Ereignis auf dem Grill gehalten. So schafft man schon mal die richtige Grundlage für ein Festival.
Eigentlich gehören zum Live-Hörspiel Köln die drei Damen Claudia Behr, Carolin Dörmbach und Melanie Wierum. Am Besuch im Rabbit-Hole-Theater nimmt allerdings Wierum urlaubsbedingt nicht teil. Und so müssen Behr und Dörmbach die neueste Produktion, ein Live-Hörspiel nach der Unendlichen Geschichte von Michael Ende, ohne sie stemmen. Angelegt als zweistündiger Auftritt wird die Aufführung in Essen auf eine halbe Stunde zusammengestrichen. Die beiden Sprecherinnen nehmen an einem Tisch Platz, auf dem allerlei Gegenstände aufgebaut sind. Zwei Mikrofone vervollständigen die Bühne. Teile der Geschichte werden zum besseren Verständnis zusammengefasst erzählt, einzelne Szenen als Dialoge aufbereitet, in denen die Künstlerinnen die Charaktere der handelnden Personen mit allerlei Stimmakrobatik wiedergeben. Bastian Balthasar Bux, der hier auf eine kleine Sprechrolle reduziert ist, wird kurzerhand aus dem Publikum besetzt. Was zu diesem Zeitpunkt noch keiner weiß, ist, dass die beiden einen Schauspieler mit der Aufgabe betrauen. Zusätzlich wird das Publikum dazu angehalten, das „interaktive Hörspiel“, wie die Sprecherinnen es nennen, beim Hochhalten verschiedener Tafeln für die nötigen Hintergrundgeräusche zu sorgen. Das ist prinzipiell eine gute Idee. Witzig, wenn die Damen zu ungewöhnlichen Gegenständen wie eine Seifenblasenpumpe, Klötzchen oder Musikinstrumenten greifen, um für zusätzliche Stimmung zu sorgen. Schade, dass sie mit etlichen Holpersteinen selbst den Fluss aus der Handlung nehmen. Sie wirken schlecht vorbereitet, wenn sie nach den richtigen Sprechstellen suchen, unpassende Pausen eintreten oder schlicht falsche Personen zu Wort kommen. Zwar wird der Grundgedanke deutlich, aber es bleibt viel Potenzial auf der Strecke liegen. Da ist die Rettung Phantásiens doch schwieriger als gedacht. Das Publikum nimmt es gelassen und bedankt sich höflich.
Es ist Merkmal des Rabbit-Hole-Theaters, dass die Betreiber und ihre Helfer mit einer unglaublichen Freude an ihre Arbeit herangehen. Während der Umbaupause gelingt es Hertrich noch, eine Tombola zu veranstalten. Dabei wird schnell klar, dass er keine Schwierigkeiten hätte, sich als Losverkäufer auf einer Kirmes zu verdingen. Man kann schon gar nicht mehr anders, als sich eine der glückbringenden Kärtchen zu sichern. Welch ein Spektakel.
Aus dem Theaterraum klingt derweil eine neue Stimme. Also schnell wieder rein, um zu schauen, was da jetzt passiert. Liedermacher Tobias Sicken hat am E-Piano Platz genommen. Wäre im dicht besetzten Zuschauerraum Stammpublikum zugegen, erinnerte es sich sicher an den 8. Juli vergangenen Jahres, als Sicken sein Debütalbum Wollen ist Leben auch ohne Kriegen im Theater vorstellte. Heute Abend gerät seine Liederauswahl aus dem Album arg melancholisch. Da geht der scharfsinnige, aber hintergründige Witz, der in seinen Liedern oft messerscharf hervorblitzt, beinahe unter. Das spielt aber überhaupt keine Rolle, denn einmal mehr begeistert der Sänger mit seinen Zwischenmoderationen. Sehr genau achtet er darauf, seine Auftrittszeit einzuhalten, was an sich löblich, aber manchmal vielleicht nicht ganz so streng einzuhalten ist. Auch eine Zugabe wäre sicher nicht schlimm gewesen. Jetzt also heißt es, auf neue Lieder von Sicken zu warten.
Inzwischen hat Dornheim begriffen, dass man nicht jedes Würstchen einzeln nach Vorbestellung auf den Grill legen muss, auf dem Bürgersteig vor dem Theater ist kaum noch ein Durchkommen möglich, während im Saal fieberhaft zusätzliche Stühle aufgestellt werden. So muss Festival sein.
Woyzeck gehört heute laut Wikipedia zu den meistgespielten und einflussreichsten Dramen der deutschen Literatur. Georg Büchner schuf das Dramenfragment um 1836. Der schizophrene Wehrmann Woyzeck tötet seine Freundin Marie, mit der er ein uneheliches Kind hat. Das Stück bietet unendliche Interpretationsmöglichkeiten. Patricia Foik und Carsten Caniglia haben sich entschlossen, dem Theater ihre persönliche Sichtweise hinzuzufügen. Das ist immer ein gewagtes Unterfangen, weil es schon so viele Inszenierungen gibt, angefangen von albernen naturalistischen Kostümschlachten bis hin zu prachtvoll gesungenen Opernfassungen. Braucht es da wirklich noch eine weitere Bühnenfassung? Nach diesem Abend steht die Antwort fest. Ja.
Eine der Stärken bei einer Inszenierung im Rabbit-Hole-Theater liegt darin, dass man sich auf das Wesentliche konzentrieren muss. Jede Requisite will auf der kleinen Bühne genau bedacht sein. Und so kommen Foik und Caniglia mit einem Stuhl, einer Folie und einem Lautsprecher aus, den sie über ihre Mobiltelefone bedienen. Die Idee der Inszenierung ist so einfach wie überzeugend: Die beiden konzentrieren sich auf die Beziehung von Woyzeck zu Marie. In die Rolle der Marie packen sie alles, wozu es sonst zehn Nebenfiguren braucht. Das klingt verwegen, funktioniert aber hervorragend. Ein manischer, hilfloser Woyzeck wirft die Münze, fordert das Publikum auf, zwischen Kopf und Zahl zu entscheiden. Ein genial einfaches Bild, in dem deutlich wird, wie sehr Woyzeck sich von Entscheidungen anderer abhängig macht. Marie, die dem Treiben zunächst vom Stuhl aus folgt, mischt sich ein. Sie beschneidet zunehmend seine Bewegungsräume, engt ihn als Repräsentantin einer unbarmherzigen Gesellschaft mehr und mehr ein. In einer gelungenen Mischung aus Schauspielkunst und Tanz wird die Beziehung der beiden zusehends intensiver. Die größtmögliche Dichte kulminiert in der Katastrophe, und Foik und Caniglia gelingt es, die Atemlosigkeit weiter aufrechtzuerhalten. Nach 35 Minuten ist Marie dem irdischen Jammertal glücklich entrückt. Aber erst in den nachfolgenden Videosequenzen schafft es das Publikum, der schier unerträglichen Spannung zu entkommen und wieder in die Wirklichkeit zurückzufinden. In einer guten halben Stunde gelingt es dem Paar, sich in die Hirnwindungen der Zuschauer zu spielen, die Nervenenden unter der Haut vibrieren zu lassen. So muss Theater sein.
In der darauffolgenden Pause ist Zeit, emotional auf das nachfolgende Programm umzuschwenken. Jens Dornheim hat erneut eine kleine Show mit Kuriositäten vorbereitet. Nach einem Videoclip stellt er Schallplattenhüllen vergangener Zeiten vor, die von lustig bis gruselig reichen, ehe er mit einem Ausflug in den ZDF-Fernsehgarten zeigt, wie sich Schlagersänger Andy Borg zum Narren macht. Für das Publikum ebenso ein Schenkelklopfer wie der Auftritt Helge Schneiders mit der Präsentation eines Flamencos. Der Abend klingt mit der Musik aus, die DJ Danny K. auflegt.
Fast schon familiäre Atmosphäre
Es ist mehr als mutig, das Festival am Samstag bereits wieder um 13 Uhr beginnen zu lassen. Nicht einmal der Sommertag kann sich bis dahin zu gutem Wetter durchringen. Schwer hängt der Nebel über dem Ruhrtal, erst allmählich und dann nur zögerlich wird die Sonne sich über dem Viehofer Platz zeigen. Trotzdem geht es gutgelaunt, wenn auch erst mal in kleiner Runde weiter. Bis zum frühen Abend wird sich der Saal mit einer großartigen Mischung von Menschen wieder vollständig füllen. Da tauchen die Darsteller vom Vortag wieder auf, aber auch die Künstler, die man in den letzten Spielzeiten kennengelernt hat, das Stammpublikum lässt sich sehen und neue Gäste werden auf das herzlichste von Christina Binta begrüßt und rasch eingewiesen, damit sie sich garantiert von Anfang an wohlfühlen. Ja, es gibt auch ein Wiedersehen mit Laiendarstellerin Claudia Fidorra aus der Fortsetzungsserie Abschlussfeier, diesmal nicht in Begleitung von Hündin Gerda. Man traut sich nicht zu fragen, warum das so ist. Viel mehr kann man sich für ein Sommerfest nicht wünschen.
Vorzelt und Grillstation sind pünktlich wieder aufgebaut. Es kann also weitergehen. Für den Anfang heißt es etwas unspektakulär: Arno Stallmann und Christian Freund erzählen Kurzprosa. Tatsächlich verbirgt sich dahinter keine trockene Lesung, sondern eine Art Experiment. Freund erklärt die Regeln. Er wird Wörter aus dem Publikum einsammeln, sich einen Kopfhörer aufsetzen und einen Text verfassen, in dem die genannten Wörter vorkommen. Dafür hat er so viel Zeit, wie der Autor, Dramaturg und Designer Stallmann braucht, um einen eigens für diesen Tag erstellten Text über die Verführung vorzutragen. Anschließend wird Freund sein Ergebnis präsentieren. Nachdem Freund seine Wortliste erstellt hat, erzählt Stallmann über die verschiedenen Aspekte der Verführung, landet beim amerikanischen Filmemacher Charlie Kaufman und beim französischen Philosophen Jean-Paul Sartre. Das stimmt nachdenklich oder wird wechselweise amüsant, kurzweilig bleibt es in jedem Fall. Die Fülle und der rasche Wechsel der Aspekte lassen nicht viel mehr als Konsum zu, eine Auseinandersetzung muss ausbleiben. Ist halt Theater und kein Seminar an der Uni. Eindrucksvoll setzt Freund mit seinem Text das Sahnehäubchen obenauf. Er hat nicht nur seine Wortliste – handschriftlich – abgearbeitet, sondern gar eine kleine philosophische Abhandlung geschaffen. Chapeau! Der Applaus ist mehr als gerechtfertigt.
Nicht ganz so glücklich geht der folgende Auftritt aus. Das Hart-Kollektiv lädt zu einer „interaktiven Performance“ ein. Svea Menne ist für das Konzept und die Aufführung zuständig, den Text besorgt Cora-Miró Fiedler. Das Publikum wird vor der Tür „eingesammelt“, indem es aufgefordert wird, sich an einem Seil festzuhalten, und in den Saal geführt. Hier haben sich die gutgläubigen Gäste in einem Kreis aufzustellen. Unter der Behauptung, mit dem Publikum in einen Dialog treten, seine Geschichten hören zu wollen, stellt sich Menne in die Mitte des Kreises und starrt einzelne Personen an. Es kommt zu einigen mehr oder minder hilflosen Interaktionen. Das Spielchen geht noch ein wenig weiter. Die Gäste werden aufgefordert, von ausgeschütteten Zettelchen Zitate vorzulesen. Schließlich verabschiedet sich Menne sinngemäß mit den Worten, wie einfach es sei, als Puppen an Fäden zu tanzen, anstatt eigene Entscheidungen zu treffen. Ein psychologischer Taschenspielertrick, der zu nichts anderem führt als Unbehagen beim Publikum. Es hatte keine Chance, sich zu wehren. Das ist nicht neu, nur schlecht gemacht. In dem Experiment The Third Wave, das 1967 in Kalifornien durchgeführt wurde, auf das dann der Roman von Morton Rhue aus dem Jahr 1981 und der gleichnamige Film Die Welle in Deutschland 2008 folgten, gab es eine ähnliche Versuchsanordnung – mit dem Unterschied, dass den Probanden das Experiment zunächst erklärt wurde. Auch auf das wirkliche Leben lässt sich das nicht übertragen, weil es da vielerlei Warnzeichen im Vorfeld gibt. Wozu also?
Wie gut, dass das Programm musikalisch weitergeht und dieser Punkt so schnell in Vergessenheit geraten kann. Als nächstes tritt Myriam-Catharina auf. Von Kindesbeinen an widmet sich die 32-Jährige aus Moers nach eigenen Angaben dem Gesang. Seit vergangenem Jahr arbeitet sie intensiv daran, aus ihrem Beruf als Kauffrau für Projektmanagement auf die Bühne zu kommen. Die Ruhr-Barone haben sie bereits als „Amy Winehouse von der Ruhr“ bezeichnet. Wer etwas erreichen will, muss dafür kämpfen. Geschenkt bekommst du nichts. Die Kunst ist aber, nicht Zwanghaftigkeit an den Tag zu legen. Und die Sängerin hat das auch gar nicht nötig. Gelassenheit ist das Zauberwort, das sie weiterbringen wird. Denn ihre Stimme überzeugt. Mit Leichtigkeit wechselt sie die Register von Atemzug zu Atemzug. Ob sie einen Song von Amy Winehouse, Jazz-Standards oder seit diesem Jahr auch eigene Songs präsentiert: Von Blues bis Jazz ist sie entspannt und emotional zuhause. Da packt sie dich. Im Rabbit-Hole-Theater tritt sie gemeinsam mit dem Pianisten Titian Bormann auf, und die beiden sind ein ideales Gespann. Das Publikum ist von der Stimme begeistert.
Im Folgenden wird es ein wenig turbulent. Denn die Veranstalter des Sommerfestes haben einen „Preis“ ins Leben gerufen, dessen Verleihung Dominik Hertrich nun während einer Lesung zelebriert. Zum zweiten Mal wird die Goldene Hasenpfote verliehen. Preisverleihungen sind im Normalfall ein Mittel der Öffentlichkeitsarbeit eines Unternehmens, hier sind sie eher ein Dankeschön für geleistete Dienste während der vergangenen Spielzeit. Das macht es ja schon mal sympathisch. Da gibt es Preise in den Kategorien Übernahme – hier geht es eigentlich um das überdurchschnittliche Engagement von Einspringern – Ehrenhasenpfote und Stammspieler. Selina Koenen als „Stammspielerin“ weiß dann mit dem Preis auch nichts Rechtes anzufangen, freut sich aber über die Anerkennung. Na denn. Danny-Tristan Bombosch begleitet die Preisverleihung am Klavier. Und zwischendurch gibt es Gedichte von Tobias Fuchs und Fragmente von Benedikt Schmidt. Zeitgenössische Literatur gehört bei einem Sommerfest in einem Theater einfach dazu.
Der Abend des zweiten Festival-Tages gehört der Musik. Gleich sechs verschiedene Auftritte verschiedenster Genres von Akustik-Rock und Metal über die Liedermacherin Frollein bis zur elektronischen Live-Komposition von Verena Hentschel sind für den Abend noch vorgesehen.
Eindrucksvolles Engagement der Macher
Den Vorteil der Besucher, sich aus dem Mammutprogramm des Sommerfestes die Aufführungen aussuchen zu können, hat das Team um Dominik Hertrich nicht. Nahezu ununterbrochen sind sie jetzt seit drei Tagen im Einsatz, sorgen für das leibliche Wohl der Gäste, für Wohlfühlatmosphäre, die Einrichtung des Theatersaals und kämpfen gegen die Tücken der Technik, die von Auftritt zu Auftritt neu eingerichtet werden muss. Auch wenn sie allmählich an ihre Grenzen kommen, lassen sie sich nichts anmerken. Das ist mehr als eindrucksvoll. Und so freut man sich auch auf den letzten Teil des Festivals. Auf der persönlichen Besuchsliste steht ein letztes Mal Musik und Theater.
„Ich verarbeite in meinen Songs emotional aufwühlende Ereignisse“, erzählt Maria Tamila. „Deshalb sind wohl überdurchschnittlich viele traurige Sachen dabei“. Sie lacht. „Aber ich schreibe auch lustige Sachen. Die habe ich nur heute nicht mitgebracht“. Es gibt auch niemanden, der etwas vermisst. Was sie traurige Songs nennt, kann man auch als wunderschöne Balladen bezeichnen. So jedenfalls trägt sie sie auf der Gitarre vor. Nachdem die im Ruhrgebiet aufgewachsene Jungmusikerin bereits zahlreiche Auftritte mit Cover-Songs verzeichnen konnte, hat sie sich endlich getraut, mit eigenen Liedern wie In the Night, I’ll Take the Bus oder On My Mind auf die Bühne zu gehen. Da hatte sie bereits die Teilnahme am Bundeswettbewerb Jugend musiziert hinter sich. Jetzt ist sie wieder im Aufbruch. Zum kommenden Semester wird sie ihr Studium an der Popakademie Baden-Württemberg in Mannheim aufnehmen. Schön, dass sie sich vorher noch im Rabbit-Hole-Theater vorgestellt hat. Ein Erlebnis. Findet auch das herzlich applaudierende Publikum.
Am 8. September wird die Schauspielerin, Regisseurin und Bühnenkampfchoreografin Saskia Leder das Solo-Stück Das Helena-Prinzip von Miguel del Arco erneut im Rabbit-Hole-Theater zeigen. Da ist das Sommerfest der geeignete Zeitpunkt, das Publikum bereits mit einer Kostprobe zu verwöhnen. Das Prinzip des Stücks ist einfach. Es ist der Perspektivwechsel von der Sicht auf die schönste Frau der griechischen Mythologie zur eigenen Sicht dieser Frau. Leder hat dafür eine hübsche kleine Bühne dekoriert. Im Vordergrund ein Tisch, auf dem ein Wassertrog steht, dahinter ein Stuhl und eine altertümliche Gehhilfe reichen, um ihr das passende Umfeld zu schaffen. Inzwischen hat der Zuschauer ja gelernt, bei solchen Themen-Ankündigungen vorsichtig zurückzuschrecken, weil „Wokes“ zu befürchten steht. Leders wichtigste Aufgabe ist also nicht, über den Inhalt des Stücks zu informieren, sondern solche Befürchtungen auszuräumen. Und das schafft sie hervorragend. Schnell gelingt es ihr, auf das Stück neugierig zu machen, indem sie nicht nur mit einem fehlerfreien und geschliffenen Vortrag glänzt, sondern gleichzeitig die Gehhilfe als „Schwertersatz“ für eine kleine Choreografie einsetzt und tänzerische Elemente einbaut. Gerade mal 20 Minuten dauert die mitreißende Darstellung, aber zumindest das heutige Publikum, das scheint gewiss, wird man im September im Theater wiedersehen.
Mit einem Auftritt von Christian Freund, der historische Filmszenen, die vorher aus Vorschlägen des Publikums ausgelost wurden, neu interpretiert und der Aufführung des Films, der von der Fortsetzungsserie Abschlussfeier angefertigt wurde, geht ein wunderbares Sommerfest zu Ende. Es war ausgesprochen ambitioniert, glänzte mit großer Programmvielfalt und sorgte dafür, dass die Gäste – Künstler wie Besucher – sich auch zwischen den Auftritten rundum wohlfühlen konnten. Eine bessere Empfehlung für einen Besuch in der kommenden Spielzeit kann es nicht geben.
Michael S. Zerban
Mehr Eindrücke vom Sommerfest des Rabbit-Hole-Theaters gibt es hier.