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Es ist ein ständiges Kommen und Gehen. Aber nicht nur von stummen Figuren, sondern auch von Stühlen, Waschtischchen, Türen und Bäumchen. Als wäre die Bühne ein unablässiges Fließband. Wie von Geisterhand bewegen sich die Requisiten quer über die Bühne. Das alles soll offenbar die Ereignislosigkeit der Provinz, aber auch das stetige Fließen der Zeit spiegeln.
Die Oper Tri sestri von Péter Eötvös, basierend am gleichnamigen Drama Drei Schwestern von Anton Tschechow, beinhaltet ja auch genau dieses Thema: Drei Schwestern, die sich in der ereignislosen Provinz fadisieren und unter anderem davon träumen, wieder nach Moskau zurückzukehren. All das passiert oder besser passiert nicht in einem grauen, schmucklosen Raum, wo aus den hoch über den Köpfen angebrachten Kerzenleuchtern schon seit Jahrhunderten Wachs zu tropfen scheint, so dick ist die Wachsspur an der Wand entlang bis zum Boden.
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Der Komponist hat das Stück des russischen Dramatikers zerlegt und gemeinsam mit Claus Henneberg neu zusammengebaut: In einen Prolog und drei Sequenzen, in denen zunächst Irina, dann ihr Bruder Andrei und schließlich Mascha im Mittelpunkt stehen und die Geschichte aus den verschiedensten Gesichtspunkten zeigt. Das Ende wird zu Beginn zelebriert, wenn die drei Schwestern in Schaukeln langsam baumelnd von der Schönheit der Musik schwärmen.
Das Phänomen Zeit wird in dieser surrealen Inszenierung an der Wiener Staatsoper von Yuval Sharon trotz der stetigen, zuerst reizvollen, im Zuge des Abends immer mehr nervenden, künstlichen Bewegtheit in ein Bild von lähmender Endlosigkeit gesetzt. Subtil und meist mit gebotener Langsamkeit werden die Figuren geführt: Passiv oder hypernervös taumeln die Protagonisten zwischen den Requisiten, die Ausstattung stammt von Esther Bialas, herum. Über jede, kurz aufflammende Leichtigkeit wird sofort eine dicke Tuchent der Melancholie, Resignation und böser Vorahnung gebreitet.
Jedenfalls ist es der Regie gelungen, den ruhigen Duktus der Musik zu erhalten. Die liegt in den Händen ihres Schöpfers, denn der Komponist steht selbst am Pult eines Kammerensembles des Wiener Staatsopernorchesters, das seine Klänge ideal vermittelt. Die Sänger werden von einem zweiten, weitaus größeren Bühnenorchester, das von Jonathan Stockhammer geleitet wird, hinter den Kulissen in die klangliche Zange genommen. Eötvös‘ Musik ist meist ein elegisches Fließen, ein Sehnsuchtssog, der berührt. Neben weichen lyrischen, weit aufgefächerten Phasen erzeugt sie einen großen Variantenreichtum von simpler Geräuschkulisse bis zur tumultöser Ruppigkeit. Auf elegante Weise korrespondiert die szenische Gestik immer mit der Musik.
Die 1998 in Lyon uraufgeführte und danach international recht häufig aufgeführte Oper wurde als Gastspiel erst einmal in Wien 2002 im Theater an der Wien bei den Wiener Festwochen gezeigt. Dabei wurden die drei Schwestern, wie vorgesehen, jeweils von drei Countertenören gesungen. Diesmal gestattete es der Komponist, diese mit Frauen zu besetzen. Die Wiener Staatsoper hat das Glück, die drei Hauptrollen mit Ensemblemitgliedern besetzen zu können, die alle aus Russland stammen und die teils betörend schön singen. Aida Garifullina ist eine jugendlich mädchenhafte Irina mit blühendem Sopran. Margarita Gritskova singt die Mascha mit expressiver Ausdruckskraft und auch Prägnanz bis in große Tiefen ihres Mezzos. Ilseyar Khayrullova ist eine melancholische und auch gouvernantenhafte Olga. Gabriel Bermúdez ist der ideal besetzte, gehörnte Bruder Andrei. Als Countertenor übrig bleibt noch Eric Jurenas als keifende und bissige, aber strahlend singende Natascha, einer Mischung aus Matrone und Domina. Boaz Daniel weckt als Offizier Tusenbach massiv Irinas Hoffnungen. Sein Anschmachten ist von belkantesker Schönheit. Clemens Unterreiner ist der markige Offizier Verschinin. Viktor Shevchenko punktet als Soljony mit schwarzer Bassestiefe, Dan Paul Dumitrescu als tapsiger Kulygin und Norbert Ernst als schrulliger Doktor.
Das Publikum spendet reichlich Beifall.
Helmut Christian Mayer