Opernnetz

Kulturmagazin mit Charakter

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Foto © Michael Pöhn

Aktuelle Aufführungen

Magisches Licht

ROMÉO ET JULIETTE
(Charles Gounod)

Besuch am
1. März 2016
(Premiere am 22. Dezember 2001)

 

 

Wiener Staatsoper

Magische Lichtstimmungen und ungewöhnliche Lichtfarben auf einer nahezu leeren Bühne: Optisch ungewöhnlich, aber von Anfang an fesselnd. Die Wiener Staatsoper zeigt Roméo et Juliette von Charles Gounod, eine Wiederaufnahme der Produktion von 2001. Das Werk, das 1867 mit großem Erfolg in Paris uraufgeführt und in Frankreich die populärste Oper des Komponisten wurde, stellt sicher die einheitlichste Partitur in Gounods Schaffen dar. In seiner Innigkeit offenbart das Stück Stellen von großer Leidenschaft und Schönheit.

Das Außergewöhnlichste an dieser Produktion ist die Idee, gänzlich auf ein Bühnenbild zu verzichten und Räume einzig aus Licht entstehen zu lassen. Dafür holte sich Regisseur Jürgen Flimm den britischen Lichtarchitekten Patrick Woodroffe, der sonst mit Popgrößen wie den Rolling Stones, Tina Turner und Elton John zusammenarbeitet. Woodroffe schuf Lichtinstallationen, wie man sie im Haus noch nie gesehen hat. Teils durch fünf fahrbare Lichttürme erzeugt, zeigen sie unseren durch das Licht gelenkten Blicken verschiedenste faszinierende, Stimmungen, wie knallbunte Pop-Ästhetik beim Fest, bei dem Julia in Stil eines Popsternchens à la Britney Spears mit einem Mikrophon als Requisite auftritt, dazu tanzt und ihre Arie singt, aber auch einen magischen Sternenhimmel in den Szenen der Zweisamkeit des Liebespaares. Insgesamt eine optische und poetische Meisterleistung, die durch die passenden zeitlosen Kostüme verschiedenster Stile von Birgit Hutter ergänzt wird.

POINTS OF HONOR
Musik
Gesang
Regie
Bühne
Publikum
Chat-Faktor

Lediglich in der Mitte der Bühne ist eine kleine, von innen beleucht- und aufklappbare weiße Scheibe situiert, zentraler Handlungsraum für die intimen Szenen: Balkon und Zimmer der Julia darstellend, auf welcher auch in der Todesszene agiert wird. Der deutsche Filmregisseur inszeniert völlig zeitlos die tragische und von Anfang vorgezeichnete Geschichte des wohl berühmtesten Liebespaars aller Zeiten und bietet eine handwerklich geschickte und schlüssige Regie.

Foto © Michael Pöhn

Das Werk lebt natürlich von den beiden Protagonisten und die sind ideal besetzt: Roméo ist Juan Diego Flórez, der bisher mühelos durch den Verzierungsreichtum des Belcanto getänzelt ist und jetzt zu einem Fachwechsel drängt. Nach dem Rigoletto-Herzog ist er nun der zeitlose, mit großer stimmlicher Eleganz ausgestattete unglückliche Liebhaber. Obwohl er entgegen der Regie immer wieder zur Rampe drängt, um so seinen nicht allzu großen Tenor richtig in Szene zu setzen, beeindruckt er mit funkelnden Blicken voll Leidenschaft und seinem musikalischen Gestaltungswillen, seiner jugendlichen Geschmeidigkeit, der perfekten Stimmbeherrschung mit allen ungefährdeten Spitzentönen und der unglaublichen fassettenreichen Ausdruckskraft seines Tenors. Dabei faszinieren seine Piani ganz besonders. Er bietet stilistische Eleganz und ungefährdete vokale Strahlkraft. Marina Rebeka ist seine mit glasklaren Koloraturen singende, hübsche Julia, die die Partie zuerst mit mädchenhafter Unbekümmertheit gestaltet, die sich dann in leidenschaftlichen Ernst wandelt: Berührend, samtweich, mit strahlender Höhe, einfach fulminant. Beide sind uneingeschränkte Publikumslieblinge und werden mit Ovationen gefeiert.

Da haben es Interpreten der kleineren Rollen schon schwerer und bieten überwiegend durchschnittliche Opernkost: Hervorzuheben sind Rachel Frenkel als stimmlich ordentlicher und präsenter Stéphano, Gabriel Bermúdez wirkt als Mercutio eher blass, Alexandru Moisiuc ist ein einfühlsamer Frère Laurent, Il Hong singt den Capulet samtig und Marian Talaba ist ein Tybalt ohne spürbare Gefährlichkeit, solide ist Carole Wilson als Gertrude zu vernehmen. Souverän singt der auch ganz ordentlich tanzende Chor des Hauses, dessen Einstudierung Thomas Lang besorgte.

Temperamentvoll ist Marco Amiliato am Pult der perfekt und mitreißend aufspielenden Musiker des Orchesters der Wiener Staatsoper zu erleben. Er weckt auch immer mit den Protagonisten mitatmend starke Emotionen. Letztlich fehlt es seiner Interpretation leider etwas an sinnlicher Raffinesse und französischem Parfüm.

Am Ende gibt es großen Jubel im Publikum für alle Beteiligten. Der Schlussapplaus dauert mehr als zehn Minuten.

Helmut Christian Mayer