Opernnetz

Kulturmagazin mit Charakter

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Foto © Michael Pöhn

Aktuelle Aufführungen

Im Räderwerk des Schicksals

JENŮFA
(Leoš Janáček)

Besuch am
10. April 2016
(Premiere am 22. Februar 2012)

 

 

Staatsoper Wien

Eine das gesamte Bühnenportal ausfüllende Mühle, deren Zahnräder ständig in Bewegung sind und die unabwendbare Unentrinnbarkeit symbolisieren im ersten Akt. Enge auch im mit Säcken vollgestopften Haus der Küsterin im zweiten Akt. Im letzten Akt schließlich eine beinahe absolute Leere in jenem Raum, in dem die Tragödie ans Tageslicht kommt. Regisseur David Pountney und Bühnenbildner Robert Israel haben Jenůfa, dieser Oper aus dem mährischen Bauernleben des 20. Jahrhunderts, alles an Realismus gelassen: In diesem stimmigen Ambiente hat Pountney die Protagonisten, die der Zeit gemäß in entsprechende Kostüme gekleidet sind, scharf gezeichnet und präzise geführt. Ohne Überfrachtung werden die Geschichte und die Charaktere klar und einfach, verständlich und nachvollziehbar durch eine detailreiche, differenzierte Personenführung dem Publikum präsentiert.

Bei dieser Wiener Neuinszenierung aus 2002 handelt es sich um eine Koproduktion mit der Janáček Oper Brno (Brünn), dem Uraufführungsort dieser Oper, wo die Premiere 2004 stattgefunden hat. Gespielt wird in Wien die sogenannte Brünner Fassung aus 1908, die nicht die vom Prager Dirigenten Karel Kovarovic geschaffenen, spätromantischen Glättungen enthält. Gesungen wird diese Oper, eines der packendsten und genialsten Musikdramen des 20. Jahrhunderts, in tschechischer Originalsprache.

POINTS OF HONOR
Musik
Gesang
Regie
Bühne
Publikum
Chat-Faktor

Mit einem hochgeschlossenen, schwarzen, puritanisch wirkenden Kleid, aufrechten Ganges, unerbittlich und streng: So erscheint die Küsterin und bereitet dem ausgelassenen Fest ein jähes Ende. Angela Denoke, früher selbst die Titelheldin, nun erstmalig in dieser Partie zu erleben, ist eine atemberaubende, intensive Küsterin, eine Singschauspielerin ersten Ranges. Sie singt sie, das erste Mal, kühl und scharf wie ein Diamant, hochdramatisch in ihren Ausbrüchen.

Foto© Michael Pöhn

Nicht ganz so packend wirkt die andere weibliche Hauptpartie. Mit nicht allzu großer Stimme und nicht immer siegreich gegen die Orchesterwogen aber doch recht ausdrucksstark erlebt man Dorothea Röschmann in der Titelpartie. Sie ist eine Jenůfa, die manchmal lyrisch kindlich, dann wieder als große Verzeihende zu erleben ist. Vor allem im Gebet und ihrem Schlussgesang ist sie exzellent. Gut ausgesuchte Typen sind auch die beiden Tenöre: Christian Franz gibt einen höhensicheren Laca, Marian Talaba einen guten Stewa. Für die alte Buryia ist Aura Twarowska aufgeboten worden. Reizend ist die Karolka von Hyuna Ko, souverän sind Il Hong als Altgesell und Alexandru Moisiuc als Richter.

Ingo Metzmacher hat zu dieser starken Musik eine große Affinität. Fast obsessiv verbohrt sich der Dirigent in den Detailreichtum der Partitur. Er liefert mit dem großartig aufspielenden Orchester der Wiener Staatsoper eine unglaubliche Farbenpracht, einen brennenden Spannungsreichtum und herrliche lyrische Bögen, die ihresgleichen suchen. Aufregender kann man Janáček nicht musizieren.

Am Ende gibt es großen Jubel von einem begeisterten Publikum für eine in allen Bereichen gelungene und stimmige Opernproduktion.

Helmut Christian Mayer