Opernnetz

Kulturmagazin mit Charakter

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Alle Fotos © Michael Pöhn

Aktuelle Aufführungen

Den Kindern eine Stimme geben

FATIMA
(Johanna von Doderer)

Besuch am
23. Dezember 2015
(Premiere)

 

 

Wiener Staatsoper

Mut, nur Mut wenn ihr verzweifelt seid!“ Mit diesen aufmunternden, an alle Kinder gerichteten Worten endet Fatima, oder von den mutigen Kindern. Als Johanna von Doderer vor zwei Jahren mit der Komposition ihrer siebenten Oper begann, einem Auftragswerk der Wiener Staatsoper, hat sie wohl nicht geahnt, dass diese bei der Uraufführung so topaktuell sein würde. Denn die Geschichte vom mehrfach preisgekrönten, syrisch-deutschen Autor Rafik Schami handelt vom bösen, tyrannischen Schlossherrn, der die Träume der Kinder stiehlt und anschließend auffrisst. Eine Situation wie in Syrien, wo derzeit eine ganze Kindergeneration ohne Träume und Perspektiven aufwächst. Aber es gibt das couragierte Mädchen Fatima, aus armen Verhältnissen, die sich mutig dem Schlossherrn entgegenstellt, ihn in einer Wette letztlich besiegt und die Träume der Kinder befreit. Zum Schluss kann sie sogar den goldenen Sternenstaub nach Hause bringen und der bitteren Not ihrer Familie ein Ende bereiten.  Hoffentlich wird das auch bald Realität, und es kehrt wieder der Friede in der betroffenen Region ein! René Zisterer hat daraus ein Libretto maßgeschneidert.

Verspielt, funkelnd, teils minimalistisch, nur ganz selten atonal, teils wunderbar lyrisch, teils unheimlich und spannend: Durchaus kindergerecht ist die Musik der Komponistin, der Großnichte des legendären österreichischen Schriftstellers Heimito von Doderer, von ihm stammt etwa der umfassende Roman Die Strudlhofstiege. Dabei scheut Johanna von Doderer weder Tonalität noch Melodie. Es gibt sogar einige Lieder zum Mitsingen. Sie wollte den Kindern damit offenbar eine Stimme geben, um den Glauben an die Träume und die Zukunft zu stärken.

POINTS OF HONOR
Musik
Gesang
Regie
Bühne
Publikum
Chat-Faktor

Wieder einmal kann dabei das normalerweise versteckte, und nur bei Kinderopern im Graben aufspielende, sehr gut disponierte Bühnenorchester der Wiener Staatsoper unter Benjamin Bayl reüssieren und all das sehr nuanciert und anregend umsetzen.

Foto © Michael Pöhn

Andrea Carroll ist eine glockenreine, quicklebendige Fatima, Carlos Osuna ihr teils zu wenig hörbarer und wenig verständlich singender Bruder Hassan. Sorin Coliban ist der herrlich böse, kraftvoll singende Schlossherr. Ideal sind auch die kleineren Rollen besetzt: Monika Bohinec ist eine sehr leidende, kranke Mutter. Carol Wilson als Stumme Frau darf nach der Befreiung der Träume auch wunderbar, wenn auch nur kurz singen. Die Kinder der Opernschule singen und spielen alle mit Begeisterung.

Bei der Ausstattung von Jan Meier setzt man auf die Fantasie der Kinder und bleibt daher eher zurückhaltend. Die berühmten Abenteuer sollen in ihrem Kopf entstehen. So wird auf aufwändige Bühnenbilder verzichtet. Alles ist sehr reduziert, hat aber durchaus Bühnenzauber: Man sieht eine dunkle, sich immer wieder verwandelnde Treppenlandschaft, schwarze, unheimliche Vorhänge mit dunklen Bäumen drauf, einen Bewegungschor, große, bewegliche Tierfiguren. Und man setzt auf Farbensymbolik: Grau gewandet sind die der Träume beraubten Kinder, bunte Farben tragen sie, wenn sie wieder träumen können. Henry Mason hat die Handlung nach kurzen, anfänglichen Längen ebenfalls sehr kindergerecht, ungemein lebendig, ideenreich und auch humorvoll inszeniert, sodass es den jungen Besuchern eigentlich nie langweilig wird.

Und die lauschenden Kinder, bekanntlich das ehrlichste und kritischte Publikum, applaudieren begeistert und jubeln lautstark.

Für kommendes Jahr ist übrigens die Uraufführung einer neuen Oper von Johanna Doderer zur Eröffnung des renovierten Münchner Gärtnerplatztheaters geplant. Näheres hat sie noch nicht verraten.

Helmut Christian Mayer