Opernnetz

Kulturmagazin mit Charakter

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Foto © Herwig Prammer

Aktuelle Aufführungen

Komisch zitiert

FALSTAFF
(Antonio Salieri)

Besuch am
16. Oktober 2016
(Premiere am 12. Oktober 2016)

 

 

Theater an der Wien

Vierzig Opern hat Antonio Salieri komponiert.  Der Wiener Hofkapellmeister aus Italien war zu seinen Lebzeiten höchst anerkannt. Und so wurden diese und andere seiner Werke auch häufig aufgeführt. Heute sind sie eigentlich bis auf gelegentliche Ausnahmen alle in Vergessenheit geraten. Auch sein Falstaff erlebte dem Vernehmen nach bei seiner Uraufführung 1799 in Wien einen rauschenden Erfolg und verschwand bald danach von der Bildfläche.

Jetzt im Shakespeare-Jahr wagt sich das immer wieder innovative und mutige Theater an der Wien an eine Wiederbelebung dieser komischen Oper, die der Vorlage des heurigen englischen Jubiläumsdramatikers folgt, gewinnt in allen Bereich und setzt einen totalen Publikumserfolg. Wobei die Betonung auf komisch liegt. Denn Thorsten Fischer überkleistert die durchaus verhandenen dramaturgischen Schwächen der Komödie mit permanentem Klamauk. Er habe es ja leider probiert, aber das Stück ... wie er im Programmheft anmerkt.

POINTS OF HONOR
Musik
Gesang
Regie
Bühne
Publikum
Chat-Faktor

Also stellt er statt den Familien Ford und Slenders die Royals auf die Bühne. In der ziemlich getreuen Maske der Kate ist Alice Ford zu erleben. Ihr eifersüchtiger Ehemann Ford sieht aus wie Prince William. Die andere Familie ist auf Prince Charles und seine Camilla getrimmt. Auch die Queen im gelben Zitronenkostüm, natürlich mit Hut, wie auch ihr Prinzgemahl Philipp schreiten als stumme Rollen öfters huldvoll über die Bühne und haben die Lacher auf ihrer Seite.

Foto © Herwig Prammer

Der verarmte Titelheld ist in der Maske, Kunstbauch und Kunstdoppelkinn, Gestik und Mimik von Oliver Hardy, der in der deutschen Übersetzung als Dick bezeichnet wurde, zu erleben.  Sein Diener Bardolfo sieht Stan Laurel – Doof – ähnlich, wird aber bald immer mehr zum strippenziehenden Mephisto mit furchterregenden Grimassen und erinnert bald an den Bösewicht aus Stanley Kubricks Film Clockwork Orange. Auch James Bond, natürlich mit Sonnenbrille, weißem Dinnerjacket und Pistole, darf nicht fehlen. Alles nicht besonders sinnstiftend, aber dafür keine Sekunde langweilig.

Auch deshalb nicht, weil sich in den ziemlich getreuen Kostümen und in dem grauen, herrschaftlichen Einheitsraum – die Ausstattung stammt von Herbert Schäfer und Vasilis Trintafilopoulos – vor einem überdimensionalen, echten Bild der Queen und ihres Gemahls ein Gag an den anderen reiht und eine Idee sofort von der nächsten überholt wird, dass man mit dem Schauen kaum mehr nachkommt. Erwähnt seien etwa die Verrenkungen in der quer über die Bühne hängenden Hängematte, die oft von bis zu vier Personen lustvoll bevölkert wird. Lustvoll und ungeniert wird geblödelt, was dem Publikum uneingeschränkt gefällt. Auch arbeitet Fischer wieder mit einem Deckenspiegel, der durch schräge Senkungen immer wieder neue Perspektiven und Bilder zeigt. Unzählige Plastikbälle hageln vor der Pause vom Schnürboden und füllen ein leeres Bassin, in dem die Protagonisten später auch immer wieder Schwimmversuche unternehmen. Nur selten übertreibt Fischer etwas und überfrachtet die Bühne.

Auch im Ensemble gibt es keine Schwachstelle: Christoph Pohl schwitzt sich als urkomsicher und sprudelnd singender Falstaff mit saftiger Präsenz durch die Oper. Zum Finale erschlankt er und wird als klassische „zersägte Jungfrau“ vorgeführt. Robert Gleadow als sein Diener Bardolfo mutiert zum Bösewicht und verfügt über einen markigen, scharf konturierten Bariton.  Anett Fritsch singt Alice und Kate mit frischem und exzellentem Sopran und versprüht in Verkleidung als radebrechende Tedesca, da es die Quickly hier nicht gibt, viel Witz. Maxim Mironow verfügt als Ford über einen tragfähigen, schönen lyrischen Tenor. Ohne Tadel singen auch Alex Penda als Mrs. Slender, Arttu Kataja als ihr Mann und Mirella Hagen als Betty, das Dienstmädchen. In wechselnden, fantasievollen Kostümen brilliert auch wieder der ganz famose Arnold-Schoenberg-Chor.

Die Akademie für Alte Musik Berlin unter René Jacobs im höher gefahrenen Orchestergraben fasziniert mit lebendigem, hellhörigem, feinem und transparentem Klang und trägt das Ihre zum großen Erfolg der Produktion bei.

Das Publikum ist restlos begeistert: Es lacht von Anfang an und applaudiert immer wieder jubelnd.

Helmut Christian Mayer