Opernnetz

Kulturmagazin mit Charakter

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Foto © Edouard Olszewski

Aktuelle Aufführungen

Zu glatt

A MIDSUMMER NIGHT'S DREAM
(Benjamin Britten

Besuch am
24. September 2016
(Premiere)

 

 

Theater Trier

Die erste Premiere nach der Sommerpause ist für alle Beteiligten ein besonderes Erlebnis, nicht nur für die Leute auf der Bühne und dahinter, sondern auch davor. Fast könnte man über die erste Premiere orakeln, wie die Spielzeit verlaufen wird, aber das wäre dann doch etwas weit in die Zukunft gegriffen. Am Theater Trier verlaufen die ersten Minuten der neuen Spielzeit durchwachsen. Intendant Karl Sibelius kündet gleich zu Beginn der Oper A Midsummer Night’s Dream von Benjamin Britten an, dass die Rolle der Hermia heute doppelt besetzt ist: Die erkrankte Solistin Ulrike Malotta spielt ihren Part zwar, singen wird aber Clare Presland, die noch heute Nachmittag spontan aus London eingeflogen wurde. In einem Atemzug bittet Sibelius zudem die Pause auf genau 15 Minuten zu beschränken, da der neu eingerichtete Kinderchor wegen Jugendschutzbestimmungen pünktlichst um 22 Uhr von der Bühne muss. Und auch das Publikum muss sich wohl erst wieder an die Gangart eines Theaterabends gewöhnen, es dauert fast den gesamten Prolog, den Benjamin Popson als singender Benjamin Britten begleitet, ehe sich einigermaßen Ruhe einstellt.

Ein durchwachsener Start in eine stimmige, fast schon zu gleichförmige Inszenierung. Regisseur Sam Brown entwirft einen Midsummer Night’s Dream, der sowohl in der Optik als auch in der Darstellungsweise der Elfen mehr an Peter Pan und seine wilden Jungs erinnert, als an entrückte Elfen. Für die Kostüme zeichnet Loren Enstein verantwortlich. Titania, im Fetzenkleid mit Neon-Leopardenprint-T-Shirt und langen filzigen Haaren schart eine Reihe fast verwahrlost wirkender Kleinwüchsiger um sich, die wiederum beunruhigend an jüngere Varianten von Oberons stummem, tierhaftem Gefolge erinnern. Oberon selbst erscheint mit seinem langen Ledermantel, dem darunterliegenden Netzoberteil, Schnauzbart und Leder-Schirmmütze eher als Zuhälterkönig denn als Elfenkönig. Anders, aber stimmig. Die Elfen sind bei Brown insoweit von der Gesellschaft entrückt, dass sie sich klar abgrenzen von dem überbraven, Seemanskleidchen-, Reiteroutfit- und Sonntagsknickerbocker-tragenden Doppel-Paargespann. Höhen und Tiefen gibt es wenige, die Inszenierung verläuft fast routiniert bis zum Ende. Starke Momente gibt es in den kleinen Gesten. Etwa wenn Tänzer Paul Hess als Puck sich aus seiner von Oberon als Strafe auferlegten Hundeleine zu zerren versucht, oder wenn Oberon den Teddy des umkämpften indischen Jungen achtlos auf den Waldboden fallen lässt, nachdem er ihn in seine Fänge bekommen hat. Die Doppelbödigkeit des Elfenvolkes wird in diesen Momenten sichtbar: Da geht es um mehr als schelmenhafte Neckereien mit Sterblichen, wenn sich Oberon und Titania um einen Jungen streiten, der den Anschein erweckt, dass er mit Käppchen und Rucksack bei einer Wanderung im Wald verloren gegangen ist. Oberon wird zum Erlkönig, der Leid antut und sein Gefolge schickt, um seine Gelüste zu befriedigen, und dabei auch nicht vor der Verzauberung seiner Gattin zurückschreckt. Das recht simple, dafür effektstarke Bühnenbild von Simon Lima Holdsworth auf der Drehbühne lässt einen in der Tat den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen. Die Paare irren immer wieder über denselben Hügel mit Baumstämmen, der mal die Paare voneinander und dann wieder die Menschen- von der Elfenwelt trennt. Idee und Umsetzung in der Inszenierung funktionieren stimmig, reibungslos, einwandfrei, lassen aber Feinjustierungen vermissen, die den letzten Schliff, die feine Würze hineingebracht hätten.

POINTS OF HONOR
Musik
Gesang
Regie
Bühne
Publikum
Chat-Faktor

Countertenor Fritz Spengler weiß als Oberon vom Stimmvolumen her nicht zu überzeugen, das Versprechen, das sein gewaltiges Auftreten weckt, bleibt hinter kaum verständlicher Lautstärke zurück. Titania, gesungen von Frauke Burg, bleibt spielerisch zunächst etwas steif, läuft sich dann aber warm. Ihr Sopran ist kraftvoll, klar und wird vom Publikum mit besonderem Applaus honoriert. Publikumsliebling ist aber verdienterweise Clare Presland als Hermia, deren Mezzosopran warm und butterweich, aber kraftvoll und akzentuiert bleibt. Hinter ihr bleiben die anderen klar zurück. Eva Maria Amann als Helena fällt durch ihr liebevolles Schauspiel auf, ihr Sopran ist freundlich und wohlgeformt.  Tenor Benjamin Popson gibt neben einer kurzen Einführung als Britten auch den Lysander, den kopflos Verliebten, der zunächst unter der Launenhaftigkeit seiner Angebeteten leidet und dann durch die Verzauberung durch Puck von ihr weg zu einer anderen gerissen wird. Spielerisch sind sowohl er als auch sein Gegenpart Bonko Karadjov überzeugend. Karadjovs Bariton ist in den Tiefen so stark und ausgeformt, wie Popson in den Höhen.

Foto © Edouard Olszewski

Besonders liebevoll arrangiert ist das Stück im Stück, das die Bauarbeitertruppe rund um Lukas Schmid als Peter Quenz und den Weber Zettel, Don Lee, vorführt. Sowohl stimmlich als auch spielerisch ist das eine runde Sache, besonders wenn es gewollt überbetont sein oder daneben gehen soll. Die Tänzer der Susanne-Linke-Kompanie, allen voran Paul Hess als ausdrucksstarker, körperbetonter Puck, geben der Inszenierung nochmal einen weiteren Pluspunkt, eine bewegungsreiche Masse, die den Moment des Besonderen zwischen die naturgemäß bewegungsarmen Sänger bringt. Sie bewegen sich tanzend, auf allen Vieren oder auf den Bäumen durch den Wald, immer getragen von Brittens atmosphärischer Musik. Erst so entsteht der magische Elfenwald.

Der neu gegründete Kinderchor macht sich bei seinem ersten Auftritt gut und gibt sich zielsicher einstudiert, wenn auch die Verständlichkeit teils auf der Strecke bleibt.

Das Orchester unter der Leitung von Generalmusikdirektor Victor Puhl hat von der letzten Spielzeit enorm profitiert und meistert Britten ohne Mühen.

Das Publikum honoriert den Abend mit langanhaltendem Applaus und vereinzelten Bravo-Rufen für Sänger und Kinderchor, der neben Presland natürlich den größten Applaus bekommt.

Browns Midsummer Night’s Dream hat Hand, Fuß und alles weitere, was eine stimmige Inszenierung braucht. Leider geht über das fundierte, gute Handwerk ein Fünkchen Originalität verloren. Gute Ideen sind in Vielzahl vorhanden und stimmig eingebettet, gehen aber vielleicht genau dadurch unter. Musikalisch ist der Abend ein Genuss, wenn man von Verständlichkeits- und Lautstärke-Schwierigkeiten einmal wohlwollend absieht.

Stefanie Braun