Opernnetz

Kulturmagazin mit Charakter

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Foto © Sivlia Lelli

Aktuelle Aufführungen

Gelungene Wiederbelebung

GIULIETTA E ROMEO
(Nicola Antonio Zingarelli)

Besuch am
14. Mai 2016
(Premiere)

 

Pfingstfestspiele Salzburg,
Großes Festspielhaus

Das weltberühmte Veroneser Liebespaar ist das diesjährige Motto der Salzburger Pfingstfestspiele. Die künstlerische Intendantin Cecilia Bartoli hat im Vorwort an Ihr Festspielpublikum ausgiebig Ihre Begegnung, Bewunderung und Begeisterung für die Geschichte und das tragische Schicksal der jungen Liebenden beschrieben. Für die Festspiele hat sie eine vielschichtige Präsentation der Liebesgeschichte mit Schauspiel, Lesung, Tanz, Film, Musical und Oper zusammengestellt und damit versucht ein breites, interessiertes Publikum nach Salzburg zu locken.

Eine wahrlich besondere Rarität hat sie für die Opernfreunde ausgegraben. Der Komponist Nicola Zingarelli war zu Lebzeiten hochgeachtet und vielgespielt. Seine Lehrtätigkeit in Neapel und Rom war für die Entwicklung der Oper von entscheidender Bedeutung. Gaetano Donizetti, Vincenzo Bellini und Saverio Mercadante zählten zu seinen Schülern. In seinem langen Leben hinterließ er ein umfangreiches Werk und spannt mit seinem Schaffen einen Bogen von Barock bis Belcanto. Einige seiner Opern waren richtige Hits und wurden häufig aufgeführt, meist mit laufend neuen Fassungen, um den großen Sängern bestmögliche Präsentation zu geben. So wurden manche Werke auch unspielbar und sind dadurch, aber insbesondere auch durch den Erfolg seines Zeitgenossen Gioachino Rossini in Vergessenheit geraten.

POINTS OF HONOR
Musik
Gesang
Regie
Bühne
Publikum
Chat-Faktor

Umso erfreulicher ist die Initiative der Salzburger Festspiele, auch diesen Klassiker und damit den bedeutenden Komponisten wieder in Erinnerung zu bringen.  Seine 1796 entstandene Oper Giulietta e Romeo passt da genau zum diesjährigem Thema. Eine wohlfeile Starbesetzung soll dieser Entdeckung zusätzlich in der konzertanten Aufführung zu Erfolg verhelfen.

Im Mittelpunkt: Franco Fagioli - Foto © Sivlia Lelli

Bereits in der Introduktion lässt sich der kompositorische Stil Nicola Zingarellis erkennen. Klassische Harmonien öffnen sich in breiter Instrumentierung, bleiben aber in barock überlagerten Strukturen und Rhythmen. Thematische Melodien sind in Ansätzen erkennbar, aber nicht durchgängig umgesetzt.  Lyrische Gefühlsausbrüche kommen kaum vor, es dominiert barocke Dramatik und getriebenes Erzähltempo. Im Mittelpunkt stehen die zahlreichen Soli der einzelnen Sänger, die geradezu artistisch ariös komponiert sind und den Interpreten herausfordern, aber es ihm auch ermöglichen, seine stimmlichen Fähigkeiten bis an die Grenzen auszureizen.

Dieser Aufforderung folgen die Sänger des Abends. Wie an einer Perlenkette aufgereiht spult sich ihr Auftritt in Kommen und Gehen ab, nur ab und an wird versucht, der konzertanten Aufführung auch szenisches Leben einzuhauchen. So nähert sich das Liebespaar zur Vermählung und tauscht auch einen Blickkontakt aus. Aber die Freunde sportlichen barocken Wettgesangs kommen an dem Abend voll auf Ihre Kosten. Verfremdend erklingt zu Beginn der Countertenor von Franco Fagioli. Seine unglaublich flexible Stimme umfasst mehr als drei Oktaven und konkurriert kräftig mit dem Sopran von Ann Hallenberg in der silbrigen Höhe und Koloratur. Zu ähnlich klingen die Stimmfärbungen, dass es auch zur Verwechslung kommt, aber auch zur klanglichen Verschmelzung im großen Leid der Todesszene, ein Höhepunkt des Abends. In seiner letzten Arie am Grab seiner vermeintlich verstobenen Geliebten zieht der Argentinier alle seine Register. Er ergießt sich völlig in seinen Schmerz, spult sich treffsicher in himmlische Höhen in Erwartung des Wiedersehens und gleitet ohne Bruch bis in die tiefe Verzweiflung über den Verlust seiner Geliebten. Perfekte Stimmtechnik verbindet sich mit einem großen natürlichen Potenzial. Das ermöglicht ihm sichere, klar angesetzte Koloraturen und volle Crescendi. Ann Hallenberg meistert ebenfalls die anspruchsvolle Rolle der Giuletta, bleibt aber dramatisch kraftvoll in der Höhe und lässt jugendliche Verliebtheit selten erahnen.

Vielleicht auch von der Stabführung George Petrous herausgefordert, der sein Orchester Armonia Atena kraftvoll aufspielen lässt und Volumen und Tempo als dramatische Stilmittel überdehnt. Tiefer und dunkler im Timbre ist der Countertenor von Xavier Sabata angelegt. So hüllt er seine Arien und darstellerischen stimmlichen Emotionen in warme, ausfüllende Töne. Sicher und klangschön mimt der junge Rumäne Bogdan Mihai den unglücklichen gestrengen Vater Giulettas. In seiner Verkörperung der Rolle steckt viel Kraft ohne Druck und ein versierter Umgang mit der Flexibilität seiner jugendlichen Stimme. Irina Karaianni steuert als Mathilde formschöne Tiefe in Ihrem Mezzo und reife Melancholie bei. Kurz ist der Auftritt von Juan Sanchez als Teobaldo, zeigt aber sein Können und seine Virtuosität. Der ausschließlich männlich besetzte Chor Armonia Atenea rundet die Besetzung bestens aufgestellt und vorbereitet ab.

Zu Recht viel Applaus am Ende und Ovationen für den Publikumsliebling Franco Fagioli. Eine musikalische Entdeckungsreise, die die Mitreisenden erfolgreich und zufrieden ans Ziel bringt.

Helmut Pitsch