Opernnetz

Kulturmagazin mit Charakter

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Foto © Monika Rittershaus

Aktuelle Aufführungen

Teufelspakt im Hochglanzdesign

FAUST
(Charles Gounod)

Besuch am
14. August 2016
(Premiere am 10. August 2016)

 

Salzburger Festspiele,
Großes Festspielhaus

Rien - Nichts:  Es ist das erste Wort, das Faustsingt, und es hängt in großen Lettern gleich zu Beginn der Oper und auch, wenn zum Finale der Vorhang fällt, über der Bühne. Für den Titelhelden ist ja das Leben auch ein Nichts. Die Oper entstand zur Zeit des Nihilismus, und daran scheint der Regisseur Gefallen gefunden zu haben.

Reinhard von der Thannen, der eigentlich von der Ausstattung kommt und vielfach die Regie für Hans Neuenfels phantasievoll bebildert hat, hat aber noch viele andere Ideen. So hat der Regisseur im Großen Festspielhaus, wo erstmalig bei den Salzburger Festspielen überhaupt Charles Gounods Oper Faust gezeigt wird, eine sehr ästhetische, halbrunde Kulisse bauen lassen, mit einem überdimensionalen Loch in der Mitte, das das Auge Gottes oder vielleicht auch des Bösen sein könnte, das aber auch verflixt an das Logo des hiesigen Staatsfernsehsenders ORF erinnert. Davor gibt es eine kreisrunde, beleuchtete, versenkbare Scheibe als zentralen Spielort: Hier zweifelt Faust den Lebenssinn und die Macht Gottes an. Hier lockt Mephisto mit dem Tanz ums goldenen Kalb. Hier wird Valentin erstochen. Hier verzweifelt Margarite in der Kirche und hier ist ihr Gefängnis, wo sie auch ihr Leben aushaucht.

POINTS OF HONOR
Musik
Gesang
Regie
Bühne
Publikum
Chat-Faktor

Unter Streichung der Szene der Walpurgisnacht lässt von der Thannen den Chor in bajazzo- und clownartigen Schlapperanzügen geschminkt, unterstützt von echten Balletttänzern immer breit durchchoreografiert uniform auftreten. Es singt der bestens disponierte Philharmonia-Chor Wien, der von Walter Zeh einstudiert wurde. Dessen Bewegungen, besonders bei der Rückkehr aus dem Krieg, erinnern einmal an den Cancan und immer wieder an eine Revueshow. Dazu schwebt bei dieser Szene von oben ein überdimensionales Skelett herab, dass sich sogar bewegen kann. Ziemlich plakativ und symbolhaft sind auch die riesigen, schwarzen Kugeln, die während der Gefängnisszene herein- und herausgerollt werden und die Atmosphäre des Unwirklichen verdichten.  Und man merkt wieder mal, woher von der Thannen kommt und dass sein Schwerpunkt bei der detaillierten Ausstattung inklusive der feingearbeiteten Kostüme liegt. Denn neben der hübschen Bebilderung bleibt auch diesmal wieder nur eine sehr oberflächliche Personenführung.

Foto © Monika Rittershaus

Bei den sängerischen Leistungen gerät man unwillkürlich ins Schwärmen: Piotr Beczala ist ein Titelheld, wie man sich ihn nur wünschen kann.  Ausgestattet mit einem Tenor mit silbrigem Glanz, weichen Lyrismen, herrlicher Phrasierungskunst und mühelosen Höhen. Maria Agresta spielt die Marguerite sehr mädchenhaft und singt sie mit dunklem und glasklarem Sopran sehr innig.  Ildar Abrazakov ist ein Sir von einem Méphistophélés in elegantem, weißem Anzug beim ersten Auftritt und oft als Alter Egoim Partnerlook mit dem Titelhelden.  Er singt den Teufel mit weicher Noblesse und zurückhaltender Dämonie und reist mit einem riesigen Koffer mit beleuchteten M. Alexey Markov singt einen edlen, feinsinnigen, warmtimbrierten Valentin. Tara Erraught ist ein ungemein jugendlicher, sympathischer feiner Siébel.  Marie-Ange Todorovich gibt eine ideale Marthe.  Einzig Paolo Rumetz als Wagner fällt ziemlich ab.

Delikat, mit vielen, sensiblen Zwischentönen und Pianokultur hört man auch die Wiener Philharmoniker unter dem Dirigenten Alejo Pérez aus dem Graben. Wiewohl hier noch Luft nach oben wäre. Denn eine stärkere Dosis an Leidenschaft und Emotionen hätte der Interpretation gut getan.

Großer Jubel und schließlich stehende Ovationen, vor allem für die Sänger.

Helmut Christian Mayer