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Kulturmagazin mit Charakter

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Alle Fotos © Jürgen Meusel

Aktuelle Aufführungen

Liebe bis in den Tod

RIGOLETTO
(Giuseppe Verdi)

Besuch am
22. November 2015
(Premiere am 7. November 2015)

 

Nordharzer Städtebundtheater,
Quedlinburg

Susanne Knapp hat sich für ihre Inszenierung intensiv mit der Musikdramatik von Giuseppe Verdis Meisterwerk Rigoletto beschäftigt, sehr genau in die Arien und Ensembles, die Dramatik und Emotionen jenseits der Wunschkonzert-Melodien hineingehört.

Das Ergebnis ist eine Inszenierung, die als Kammerspiel auf sehr emotionale Weise die Liebe eines Vaters und das schmerzvolle Ringen um seine Tochter als Kernkonflikt in den Mittelpunkt stellt. Es ist eine Liebe, die im Tod endet, und Rigoletto wird am Tod seiner Tochter mitschuldig. Knapp hebt die Konkretheit von Zeit und Ort auf. Gemeinsam mit Jakob Knapp als Bühnen-und Kostümbildner hat sie eine leere, schwarze Bühne gewählt, die fast ohne Kulissen das Düstere und Schmerzvolle des Geschehens   vermittelt. Minimalismus und Verfremdung erzielt sie durch Lichtwechsel und Masken, die der Chor als Hofstaat trägt. Der Fokus liegt auf den Menschen, vor allem auf dem Schicksalhaften und auf den Emotionen, die sie durch ihren Gesang zum Ausdruck bringen.

POINTS OF HONOR
Musik
Gesang
Regie
Bühne
Publikum
Chat-Faktor

Knapp thematisiert aus der Sicht des Vaters Rigoletto die Angst um seine Tochter, die er vor den Einflüssen und Begehrlichkeiten einer menschenverachtenden Welt schützt. Für diese ganz besondere Vaterliebe und den Konflikt, in den Gilda durch die Liebe zum Herzog wie in einen Strudel hinein gerissen wird, hat die Regie starke Bilder gefunden: Ein Kinderbett mit Gitterstäben dient Gilda als Rückzugsort und auch als eine Art Gefängnis. Immer wieder erscheint Gilda als kleines Mädchen, ist eine Puppe, Metapher für das von Rigoletto beschützte Kind. Und diese Perspektivwechsel machen die Psychologie seines Denkens, Fühlens und Handelns mit dem, was die Musik an Dramatik und Emotionen vermittelt, mehr als deutlich. Es gibt Momente dieser Aufführung, die treffen mitten ins Herz. Während Rigoletto den korrupten Höflingen Cortigiani, vil razza dannata entgegen schmettert, sieht man im Hintergrund, wie unter den Augen der Höflinge der Herzog mit der hilflosen Gilda kopuliert.

Foto © Jürgen Meusel

Der musikalische Erfolg der Aufführung ist ein Triumph des Ensembles. Das gilt insbesondere für die Vorstellung dieses Abends, in der mit Romy Petrick als Gilda und Chang Xu als Herzog von Mantua zwei Hauptrollen mit Gästen besetzt werden müssen, und für Michael Korth als musikalischer Leiter  der junge Solokorrepetitor Florian Kießling am Pult des Orchesters  einspringt. Das allerdings mit Bravour. Im gelingt mit großer Dynamik und Sensibilität die Balance zwischen Belcanto und Dramatik. Dabei ist das Zusammenspiel zwischen Orchester und Bühnengeschehen, insbesondere in den großen Ensembleszenen, wie Un di, se ben rammentomi … Bella figlia del amore von herausragender musikalischer Qualität. Gijs Nijkamp als Sparafucile und Gerlind Schröder als Maddalena überzeugten durch eine starke Bühnenpräsenz. Klaus Uwe Rein ist ein stimmgewaltiger Graf Montarone, der den Höflingen seinen Fluch entgegen schleudert. Michael Rapke als Marullo, Norbert Zilz als Graf Ceprano sowie Tobias Amadeus Schöner als Borsa sind ein perfides Intriganten-Trio. Vom Publikum mit Ovationen gefeiert wird als Rigoletto Juha Koskela. Musikalisch und darstellerisch beeindruckt der Bariton vor allem durch Glaubwürdigkeit und Wahrhaftigkeit, durch Leidenschaft und grenzenlose Vaterliebe, für die er überzeugende körperliche Ausdrucksformen findet. Wunderbare Momente erlebt man in den Szenen Tutte le feste und Si, vendetta mit seiner Tochter Gilda. Sensationell ist die Einspringerin Petrick als Gilda, der man in keinem Moment eine Unsicherheit auf der Bühne anmerkt. Mit Bravour meistert sie nicht nur darstellerisch, sondern vor allem musikalisch die Partie. Mit blitzsauberen Koloraturen begeistert die junge Sängerin aus Dresden in der Arie Gualtier Maldè, mit inniger Leidenschaft im Duett mit Rigoletto Figlia! Mio padre. Und Xu vom Theater Meiningen als Herzog macht mit tenoralem Glanz vor allem mit den Arien Questa  o quella und La donna é mobile Furore, kann allerdings im Spiel eine gewisse Unsicherheit nicht ganz verbergen. Dass diese außergewöhnliche Situation in dieser Aufführung so überzeugend gemeistert wird, zeigt einmal mehr die Qualität und Disziplin des Musiktheater-Ensembles des Nordharzer Städtebundtheaters.

Mit minutenlangen standing ovations würdigt das Publikum im ausverkauften Theater in Quedlinburg die Leistungen des Ensembles.

Herbert Henning