Kulturmagazin mit Charakter
Aktuelle Aufführungen
GIOVANNA D'ARCO
(Giuseppe Verdi)
Besuch am
20. Oktober 2016
(Premiere am 2. Oktober 2016)
Das Teatro Farnese in Parma zählt zu den bedeutendsten historischen Theaterbauten. Umgeben von den schmucklosen mächtigen Mauern des Pallazzo Pilota thront der mächtige Holzbau mitten im verbliebenen teilweise zerstörten Profanbau. Im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt, wurde es in den Nachkriegsjahren originalgetreu wiederaufgebaut. Berühmt war seine Bühnenmechanik, die auch groß angelegte Seeschlachten mit pompösen Fregatten zuließ. Bis zu 3000 Menschen konnten dem Spektakel beiwohnen. Nur fehlte es am Wesentlichen, dem Geld, und so schlummerte das Theater über Jahrhunderte. Auch ein Grund, warum es ohne Beschädigung so lange überlebte. In den letzten Jahren wird es vermehrt für Lesungen und Konzerte benutzt.
Für das Verdi-Festival finden auch Opernabende Zugang in das Theater, das dafür völlig umgestaltet wird. Das Publikum sitzt auf der Bühne und der einer römischen Arena nachempfundene Zuschauerraum wird die natürliche Bühne mit seinen Stufen und den abschließenden Bögen. Die Möglichkeiten der Gestaltung sind in dem denkmalgeschützten Raum und Weltkulturerbe limitiert. Im eigentlichen Parkett hat das Orchester Platz genommen, eine runde Plattform bildet die Bühne in Ergänzung der ansteigenden Sitzreihen. Dank der modernen Videotechnologie und Beleuchtung gelingt ein mächtiges beeindruckendes Spektakel, ganz im Sinne der Geschichte des Theaters, weniger der Kunst, da die Konzentration des Zuschauers abgelenkt wird. Die unglaubliche Größe des Theaters verstärkt auch die Distanz zum musikalischen Geschehen, wobei die Akustik des Raumes überrascht.
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Saskia Boddeke und Peter Greenaway sind für die Regie dieser Neuinszenierung von Giovanna d'Arco, einer Jugendoper Verdis, verantwortlich. Die findet wieder vermehrt zurück in die Spielpläne der Theater, meist aber in konzertanter Form. Mit Elmar Leupen als Videospezialist und Floriaan Ganzevoott als Lichtregisseur haben sie anerkannte Mitstreiter gewonnen, die den Raum großflächig und ausdrucksstark bespielen.
Wahrlich aus dem Nichts zaubert eine Lichtmontage fließend romantische Naturstimmungen in weich gedimmtem Licht. Eine umwucherte Ruine, ausgreifende Wurzeln und Büsche werden der Ort der Begegnung von Giovanna mit der Jungfrau Maria. Die erscheint auch in einer Vielzahl von bunten ikonenartigen Marienbildern, gerahmt von den Bögen des Theaters. Weitere ähnliche Videoinstallationen zeigen das Leid des Krieges, ausgedrückt in modernen Flüchtlingsbildern oder von leidenden Mütter mit den Kindern im Arm.
Imposant ist die Gestaltung des königlichen Traumes, wenn ein überdimensionales japanisches Manga-Bild im Hintergrund durch die Arenabögen blinzelt oder die Zerstörung der englischen Burgen durch herabpolternde Ziegel gezeichnet wird. Geschickt wirkt die Zelle der gefangenen Jungfrau einfach als Lichtkegel gestaltet. Weniger nachvollziehbar ist die Regie-Idee, zwei Künstlerinnen mit ausdrucksstarken, teilweise tänzerischen Bewegungen zur Untermalung des Geschehens zu integrieren. Ein Regieeinfall, der in letzter Zeit häufig vorkommt und meist deplatziert ist. Auch an diesem Abend ist bereits mit der umfangreichen, aber ausnahmslos prägenden und gut gemachten Licht und Videoregie genug geboten.
Musikalisch ist die Gestaltung in diesem Raum sicherlich anspruchsvoll. Ein voller ausfüllender Orchesterklang lässt sich schwer gestalten, trotzdem hätte man sich mehr Schwung und Kraft im Dirigat von Ramon Tebar am Pult der I Virtuosi Italiani gewünscht.
Vittoria Yeo in der Titelrolle setzt ihre Kräfte sehr dosiert und wohl ausgewählt ein, sodass sie die anspruchsvolle Partie ohne Schwierigkeiten, aber auch ohne echte berührende Höhepunkte meistert. Sie besitzt die Höhe und trifft die Töne sicher, die Konzentration hindert sie aber an leichtgängigen Läufen oder Sprüngen sowie an weichen Legati oder Crescendi. Luciani Ganci bleibt als König Carl VII in seinem Kampf zwischen Herrschaft und Liebe farblos. Seine Tenorstimme hat Wärme, aber weniger Volumen, und seine Emotionen bleiben verhalten. So brilliert Vittorio Vitelli als Giacomo, der undurchsichtige, getriebene Vater der Heldin. Seine inneren Konflikte zwischen Vaterliebe und vermeintlicher Gottesfürchtigkeit, sein Verrat und die anschließende Einsicht bringt er überzeugend zur Geltung und kann auch die nötige Dramatik liefern. Der Chor des Teatro Regio di Parma unter der Leitung von Martino Faggiani ist bestens vorbereitet und füllt seine großangelegten Auftritte engagiert aus.
Giovanna stirbt am Schlachtfeld, Vater und König beweinen in Erkenntnis des Verlustes ihr Schicksal, die Lichtregie bringt noch einmal eindrucksvolle Bilder des Leides, bevor sich das mächtige Theater andächtig verdunkelt und wieder in Schlaf versinkt. Das Publikum ist durchsetzt mit internationalen Reisegruppen, die sich dieses Erlebnis nicht entgehen lassen wollten und es auch kräftig beklatschen, ehe sie wieder in ihren Bussen verschwinden.
Helmut Pitsch