Opernnetz

Kulturmagazin mit Charakter

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Alle Fotos © Wilfried Hösl

Aktuelle Aufführungen

Hoffnung durch Erlösung

GÖTTERDÄMMERUNG
(Richard Wagner)

Besuch am
13. August 2015
(Premiere am 30. Juni 2012)

 

 

Bayerische Staatsoper München

2012 inszenierte Andreas Kriegenburg seinen Münchner Ring als rhythmisches Menschentheater, das die Geschichte von einer friedlichen Urwelt bis in die Konflikte der Jetztzeit erzählt und dabei auf große Tableaus, sanfte Modernismen und starke Emotionen setzte. Ihm gelang damit im Jubiläumsjahr der stärkste Ring, der nun halbiert vor Weihnachten zusammen mit der Walküre wiederaufgenommen wird.

Sein Eingangsbild hat zynischerweise nochmals an Aktualität gewonnen: Durch Heimatlose, deprimiert Fliehende wandeln die Nornen, ohne mehr eine Erklärung für die Bitterkeit der Gegenwart zu finden. Die findet sich in der intimen, wenngleich naiven Paarbeziehung zwischen Siegfried und Brünnhilde. Im ästhetisch hochwertigen, von Menschen getragenen Bretterverschlag schnaufen sie kurz in der Tragödie auf, bis sich Siegfried endgültig in die kommerzialisierte Jetztzeit aufmacht, zwischen polierten Glasfassaden und domestizierter Mittelalterromantik. Ein letztes Mal lässt Kriegenburg seine famosen Statistenmassen als Rhein tänzeln, dann wechselt die Szenerie in Harald B. Thors schick-kühle Firmenzentrale der Gibichungen. Wenig hat sich vom präzisen Figurenspiel abgeschliffen. Der Hausapparat erneuert diese Götterdämmerung präzise, und die vielen neuen Kräfte finden sich in die ausgefeilte Inszenierung. Der letzte freie Held, der frohe Fremdkörper im korrupten, verrohten Wirtschaftsalltag zwischen Orgie, Schreibtischtat und Lebensüberdruss. Er muss scheitern, und das widerfährt ihm im furiosen Finale. Kriegenburg lässt die Welt brennen, der Kollaps zerstört die sterile Wirtschaftswelt, doch dann sein großes, sein wichtiges Schlussbild in volatilen Zeiten: Die Menschlichkeit obsiegt im Symbol eines Figurenkreises weiß Gekleideter, die eine oft vergessene tragische Figur des Rings, Gutrune, in die Arme schließen und zum Erlösungsthema eine schöne, eine bleibende Botschaft präsentieren.

POINTS OF HONOR
Musik
Gesang
Regie
Bühne
Publikum
Chat-Faktor

Der Münchner Siegfried Lance Ryan übernimmt nun die Götterdämmerung von Stephan Gould. Ebenso wie sein grimmiges Weib reicht er nicht an das sängerische Vermögen von Gould und Stemme heran. Im Spiel oftmals überzogen, mit verwirrender Lust zur Parodie etwa in seiner Waldvogelerzählung schafft er zwar die stimmliche Herausforderung. Der Klang driftet teils ins Schrille ab, lyrische Momente gelingen dafür, seinen Todesmonolog gestaltet er gewandt, dennoch bleiben Kratzer in dieser Leistung. Ebenso bei Petra Lang, die sich als Brünnhilde steigert, weniger outriert, an Strahlkraft gewonnen hat. Die Mittellage bleibt problematisch, die Sicherheit in der Rolle hat zugenommen, auch die Diktion sich verbessert. Platz zu glänzen bleibt an ihrer Seite. Anfangs leicht zurückgenommen spielt Hans-Peter König das dämonische Potenzial seines voluminösen Basses samt spielerischer Finesse aus. Ebenso zum Kaspern neigt Markus Eiche, erstmals als Gunther, der das aber mit prächtigem, sauber fokussiertem Bariton entschuldigt. Anna Gabler verliert nichts von ihrer spielerischen, anziehenden Präsenz und ihrem differenzierten, auch in den Nuancen starken Sopran und bleibt in dem Skandalkleid als Gutrune der Hingucker der Inszenierung. Als Norn steht ihr zudem mit Okka von der Damerau wieder eine starke Sängerin zur Seite, die das Vibrato von Helena Zubanovich vergessen machen. Zudem strahlend die Waltraute der routiniert glänzenden Michaela Schuster und dem für die Rolle zu schönen Organ von Christopher Purves als Alberich.

Foto © Wilfried Hösl

Nachdem er die Walküre abgab, lässt sich GMD Kirill Petrenko die Götterdämmerung nicht nehmen. Sein Pathos, seine Euphorie und seine hörbare Liebe zu Wagner sind nicht nur bei der Todesmusik und im Finale unüberhörbar. Er fordert seine Sänger, wo sie es vermögen. Hagens Offenbarungseid im ersten Finale wird zum langsam sezierenden Racheepos, den Petrenko mit König famos gestaltet. Danach geht er in die Vollen. Der stimmgewaltige Herrenchor unter Sören Eckhoff tönt, Petrenko kontert mit vollem, brillantem Wagner-Sound. Einziger Wehmutstropfen bleibt das patzende Blech beim Siegfried-Thema.^

Wenn jedoch endlos geschmeidig und nicht enden wollend Erlösung erklingt, Kriegenburgs Schlussbild entsteht und der Kraftakt Götterdämmerung mit großen Applauschören endet, dann zeigt sich die bestehende und gelungene Qualität dieser Inszenierung und ihrer Träger.

Andreas M. Bräu