Opernnetz

Kulturmagazin mit Charakter

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Foto © Marie Liebig

Aktuelle Aufführungen

Witz ohne Biss

DER BARIBER VON SEVILLA
(Gioacchino Rossini)

Besuch am
14. Oktober 2016
(Premiere)

 

Südthüringisches Staatstheater
Meiningen

Ein etwas heruntergekommener Aussteiger findet beim Wühlen im Sperrmüll eine Friseur-Ausstattung und somit den Einstieg in Rossinis komische Oper Der Barbier von Sevilla – mit dieser stummen Szene am Rande beginnt zur schmissigen Ouvertüre im Meininger Theater Rossinis beliebtes Meisterstück.

Danach läuft dann das Geschehen wie ein rauschhafter Wachtraum ab, grotesk übersteigert, äußerst bunt, seltsam vergröbert. Hier geht es nur um Unterhaltung, und die Figuren der Handlung mit ständigen Intrigen und Verwirrungen sind wie in der commedia dell’arte standardisierte Typen.

POINTS OF HONOR
Musik
Gesang
Regie
Bühne
Publikum
Chat-Faktor

Diese Handlung wird in Gang gehalten durch den gewitzten Figaro, der auf alle Aktionen der oberen Herrschaften eine listige Reaktion weiß, meist aus der Situation heraus geboren; dann gibt es den geldgierigen Alten, der seinem Mündel, einer ebenso raffinierten wie koketten jungen Dane, per Heirat ans Vermögen will, und dieser trottelige, scheinbar schlaue Dottore wird unterstützt von einem ebenso von sich eingenommenen Musiklehrer. Dass am Ende das Mädchen den Grafen heiraten kann, wird ermöglicht durch die taktischen Einfälle des Figaro. Das bedeutet: Die gesellschaftlich am höchsten stehende Persönlichkeit benötigt die Hilfe des weit unter ihr stehenden Personals, um ans Ziel zu gelangen. Ob sie damit glücklich wird, steht auf einem anderen Blatt. Jedenfalls trägt die buffeske Handlung hinterlistig ironische Züge und somit aufklärerisches Potenzial in sich.

Foto © Marie Liebig

Bei der Inszenierung von Lars Wernecke in der seltsam vergröbernden, schrill bunten Ausstattung von Helge Ullmann spürt man diese Hintergründigkeit nicht. Hier ist alles angelegt auf platte Unterhaltung und Belustigung, angefangen von den extrem vergrößerten Friseur-Utensilien, die sowohl als Waffen wie als Musikinstrumente, Barbier-Fahrzeug oder Leiter herhalten müssen, über die standardisierten Gesten wie bei Disco-Tänzen bis hin zu den Kostümen, die an Faschings-Verkleidung erinnern, wenn man als Spanier, Soldat oder Faschingsprinz auftritt. In dieses Bild passt auch die Bühne, eine Art Flasche als sich drehender Wohnturm. Darin sind dann ein Doktor Bartolo im Trachtenanzug lokalisiert mit seiner Dienerin Berta im Dirndl und aufdringlich oft wegen ihres Schnupftabakkonsums mit grüner Nase niesend, sowie der faul daher schlurfende Ambrogio, eine Art Alt-Hippie, und auch der Notar scheint dem Karnevalsfundus entlehnt.  

Über solche Plattitüden aber triumphiert die geistreiche, herrlich mitreißende Musik Rossinis. In Meiningen steht mit dem Italiener Stefano Seghedoni ein Kenner des Werks am Pult der Meininger Hofkapelle; er entlockt dem Orchester sonnige Klänge, Agilità und bei den anfeuernden Stretta-Steigerungen Spritzigkeit und Schwung. Außerdem achtet er auch auf die Sänger, denen vom Komponisten teilweise rasante Schnelligkeit abverlangt wird. Gerade beim Grafen Almaviva verlangsamt der Dirigent deutlich das Tempo.

Denn Siyabonga Maqungo wirkt in dieser Rolle oft etwas umständlich, gutmütig und betulich, singt aber seinen Part mit hellem, manchmal etwas kehlig klingendem, nicht allzu beweglichem Tenor recht ordentlich. Mit einer solchen Ausstrahlung kann er jedoch den verführerischen Frauenhelden nur bedingt darstellen. Für die Eroberung der koketten, attraktiven Rosina, von Carolina Krogius mit angenehmem, höhensicherem Mezzosopran gesungen und kapriziös gezeichnet, bedarf er da schon der Hilfe. Und Dae-Hee Shin ist als Barbier unbestritten der Star des Abends. Allein, wie er sich, äußerlich schrill anzusehen, im ganzen Durcheinander, das er anzettelt, locker bewegt, ist bemerkenswert. Er hält das ganze Geschehen im Fluss und imponiert vor allem auch sängerisch mit seinem kraftvollen, variabel gestaltenden Bariton, etwa in der berühmten Auftritts-Arie.

Gut besetzt sind die Bass-Buffo-Partien: Marián Krejcik stellt mit seinem kraftvollen Bass einen nicht allzu ältlichen, ohne Erfolg umtriebigen Doktor Bartolo dar, Mikko Järviluoto kann als Musiklehrer Don Basilio dank seinem fülligen Bass mit der Verleumdungsarie punkten, und Monika Reinhard, ein heller Sopran, gehört als Dienerin Berta zum Haushalt Bartolos ebenso wie Ambrogio, den Lars Kretzer darstellt. Als Fiorello gefällt Sang-Seon Won mit sicherem Bass, und Dimitar Sterev als Advokat fällt vor allem durch seine Verkleidung auf. Der Herrenchor, geleitet von Martin Wettges, angemessen singend, tritt meist aufgereiht auf, und auch alle übrigen Darsteller außer dem Figaro agieren meist frontal dem Publikum zugewandt.

Das honoriert im ausverkauften Haus die Musiker mit langem, begeistertem Beifall.

Renate Freyeisen