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Alle Fotos © Patrick Pfeiffer

Aktuelle Aufführungen

Der Wahn vom Reichtum

MCTEAGUE GIER NACH GOLD
(William Bolcom)

Besuch am
6. Februar 2016
(Europäische Erstaufführung)

 

 

Landestheater Linz

Zuerst gleich ein lauter Schock: Eine kurze, aber gewaltige Eruption im groß besetzten Schlagwerk. Eine riesige Sonnenscheibe steht gleißend über Wüste. Es ist einer der heißesten Orte der Welt: Death Valley.  Holzhäuser liegen umgekippt am Boden, in der Mitte der Titelheld, dessen Feldflasche leer ist. Dann produzieren dissonante Streicherklänge einen atmosphärischen Klangteppich, der immer wieder vom Blech bedrohlich unterbrochen wird: Mit diesem Vorgriff auf das Finale beginnt am Linzer Landestheater verheißungsvoll die Oper McTeague – Gier nach Gold vom US-amerikanischen Komponisten William Bolcom. Als sich dann die Bühne zu drehen beginnt und sich die Häuser wie durch Wunderhand aufrichten und zu einer bald bevölkerten Straße in San Francisco werden und ein immer wiederkehrender, frecher Ragtime erklingt, ist man schwer beeindruckt.

Dass dieser starke Eindruck jedoch bald verflacht, liegt nicht an der Umsetzung, sondern an der merkwürdigen mit ziemlichen Längen, vor allem im zweiten Teil behafteten, teils skurrilen Story, die auf einem Roman von Frank Norris basiert und dessen Libretto von Arnold Weinstein und Robert Altman stammt. Sie handelt immer wieder in Rückblenden – Die Zeiten des Goldrausches sind schon längst passé – vom Aufstieg und Fall des Zahnarztes McTeague um 1900, dessen Frau in der Lotterie 5.000 Golddollars gewinnt, was zu schwerwiegenden, mörderischen Folgen mit durchaus thrillerartigen Momenten und einem Showdown in der Wüste führt.  Es wird relativ viel gehasst in diesem kalifornischen Westerndrama über Neid, Missgunst und der ewigen Verlockung des Goldes. Der grobe, einfältige Zahnarzt-Autodidakt McTeague erlebt in dieser Parabel nach Brechtschem Zuschnitt viel Ungemach.

POINTS OF HONOR
Musik
Gesang
Regie
Bühne
Publikum
Chat-Faktor

Matthias Davids hat anfänglich mit hohem Tempo in filmschnittartigen Szenenwechseln mit Rückblenden inszeniert. Die Bühne von Mathias Fischer-Dieskau und die Kostüme von Susanne Hubrich entsprechen den gängigen historischen Westernklischees und sind von großem Detailreichtum. Detail- und ideenreich ist die Regie auch insgesamt: Die Figuren sind individuell stark und nur selten übertrieben gezeichnet und machen alle eine glaubhafte Entwicklung durch. Nur hängt die Story immer wieder durch und erzeugt beim Betrachter fühlbare Längen. Auch werden seltsame Skurrilitäten erzeugt, etwa, wenn bei einem Gerangel um einen Revolver sich ein Schuss löst und genau jene Feldflasche trifft, in der das letzte Wasser ist. Oder wenn nach dem Mord des Titelhelden an seinem ehemaligen Freund Schouler dieser plötzlich mit einer Handschelle an dessen Hand gekettet ist und sie nicht mehr lösen kann, was beim Publikum sogar ungewolltes Gelächter hervorruft.

Foto © Patrick Pfeiffer

Die Protagonisten geben jedenfalls in ihren großenteils schwierigen Partien alles und singen sich beinahe die Seele aus dem Leib. McTeague wird anstelle des vorgesehenen und erkrankten Stephen Gould von Corby Welch, der die schwierige Partie in bewundernswert kurzer Zeit einstudiert hat, ungemein präsent, expressiv, beweglich, kräftig und höhensicher gesungen. Seine Frau Trina Sieppe wird von Çiğdem Soyarslan mit leuchtendem, nuancenreichem Sopran gestaltet. Der ebenfalls eingesprungene Michael Wagner singt den ehemaligen Freund Marcus Shouler, der auf Trina, seine Cousine, zugunsten McTeague verzichtet, mit kernigem, dämonischem Organ. Von einer angesagten Indisposition ist bei ihm nichts zu bemerken. Karen Robertson singt die skurril-komische Alte Maria Miranda Macapa mit großer Energie. Gut besetzt sind auch die vielen, kleineren Rollen und der Chor des Hauses, der von Georg Leopold einstudiert wurde.

Der 1938 in Seattle geborene William Bolcom, er hat bisher drei Opern, neun Symphonien und mehr komponiert, pflegt die musikalische Grenzenlosigkeit. Er bedient sich ungeniert im reichen Fundus der musikalischen Literatur. Seine Musik ist polystilistisch, gemäßigt modern und vereint die Klänge von Ragtime, Blues, Walzer, Operette und serieller Musik. Manchmal schimmern auch Musicalklänge durch. Dennis Russell Davies, der mit ihm befreundet ist und der auch schon 1992 die Uraufführung in Chicago geleitet hat, steht jetzt auch am Pult bei der europäischen Erstaufführung. Vom spielfreudigen Bruckner-Orchester Linz werden diese farbigen, teils diffizilen, oft überraschenden Klänge mit teils nur kurzen Sequenzen engagiert und auf Sekundenbruchteile genau musiziert.

Am Ende herrscht großer Jubel, auch für den anwesenden Komponisten, der auch schon bei den Proben in Linz zugegen war.

Helmut Christian Mayer